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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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also.
    Von der Landschaft hat er noch nicht gesprochen, doch mit minimalen Unterschieden ist es die gleiche, die ihn seit Arruda dos Vinhos und Torres Vedras entzückt hat. Erwähnt werden sollte, dass der Reisende einen Abstecher gemacht hat, der ihn in die Nähe des Meeres führte, und nun fast zum Ausgangspunkt zurückgekehrt ist. Espiçandeira liegt am rechten Ufer des Alenquer und ist ein ruhiger, etwas selbstvergessener Ort mit seinem dreieckigen Platz und den niedrigen Häusern. Die Kirche, dem heiligen Sebastian geweiht, schützt, wie auch den kleinen Garten, ein Gitterzaun. Der Straße zugewandt erinnert eine wunderschöne, etwas bedrohliche Tür mit Renaissance-Motiven die Passanten daran, dass das Leben ein Übergang ist und sonst nichts. Dem stimmt der Reisende zu, findet aber, dass die Botschaft der Tür dem widerspricht, was das Kircheninnere über die Gewissheit der Unsterblichkeit sagt.
    São Sebastião in Espiçandeira ist dem Reisenden, abgesehen von den Azulejos (die ganze Region ist daran ausgesprochen reich), wegen einer Reihe unterschiedlicher Figuren auf dem Schubladenschrank in der Sakristei in Erinnerung, vor allem aber wegen des imposanten Sarkophags eines Ritters aus dem 17. Jahrhundert, darauf liegend eine grobgemeißelte Skulptur von ihm mit Schwert und Rüstung. Wegen der groben Steinmetzarbeit, und nur deshalb, erinnert sie den Reisenden an Dom Pedro de Barcelos, der in São João de Tarouca liegt. Auf diese Weise kommen so weit entfernte Orte durch den, der sie besucht, einander näher: Das ist die beste Nachbarschaft.
    Alenquer erreicht man, ohne es zu merken. Nach einer letzten Kurve befindet man sich im Ort, ganz anders, als wenn man über die Schnellstraße von Norden her kommt, von der aus man das Städtchen hoch droben gleich einer Weihnachtskrippe aufgebaut sieht. Hoch liegt es wirklich, wie der Reisende am eigenen Leib erfährt, als er zum Convento de São Francisco hinaufsteigt. Kein Mensch würde vermuten, dass dieses hier das erste – genauer gesagt, im Jahre 1222 – in Portugal gegründete Franziskanerkloster ist. Aus dieser Zeit stammt die gotische Tür, von späteren Umbauten der Kreuzgang aus dem 16. Jahrhundert und das manuelinische Portal des Kapitelsaals. Der Rest datiert aus der Zeit nach dem Erdbeben 1755, bei dem praktisch alles zerstört wurde.
    Bei der Besichtigung wird der Reisende von einer ständig lächelnden, doch ziemlich zerstreuten Nonne begleitet, die zwar immer die richtigen Antworten gibt, dabei aber mit den Gedanken woanders zu sein scheint. Jedenfalls macht sie den Reisenden auf eine Sonnenuhr aufmerksam, die der Überlieferung nach dem Kloster von dem Schriftsteller und Chronisten Damião de Góis geschenkt wurde. Der Reisende hatte zwar im Kopf, dass Damião de Góis in Alenquer geboren und gestorben ist, doch seinen Namen von den unschuldigen Lippen dieser Nonne ausgesprochen zu hören, die, wie es ihr aufgetragen, immer noch lächelt, damit das Trinkgeld beim Abschied stimmt, verwirrt ihn ernsthaft, so als erzählte man ihm von einem Verwandten oder jemandem, mit dem er engen Umgang gehabt hat. Der Reisende geht auf Drängen der Nonne in die obere Etage des Kreuzgangs, weil sie ihm die Kapelle von Dona Sancha zeigen will, der Gründerin des Klosters, doch findet er sie nicht sonderlich interessant. Zwei Männer aus dem Altersheim sind da und warten auf den Tod, einer sitzt auf einer Bank und blickt zum Altar, der andere draußen, an der frischeren Luft, und lauscht vielleicht dem Gesang der Vögel. Nebenan ist der Friedhof. »Da liegt die Gute«, sagt die Nonne. Der Reisende nickt betroffen und denkt: »Ja, Damião de Góis.« Was Unsinn ist, denn Damião de Góis befindet sich nicht hier.
    Ob er sich noch in der Kirche São Pedro, hundert Meter weiter unten, befindet, kann der Reisende nicht beschwören, Gebeinen widerfährt viel Unbill. Zumindest scheint sicher, dass der verstümmelte steinerne Kopf an der Wand über der Grabplatte mit lateinischer Inschrift, die Damião de Góis selbst verfasst hat, sein Konterfei ist. An der unteren Gesichtshälfte fehlt ein Teil, doch sieht man, dass er seinerzeit ein rüstiger Alter war, eindeutig ein Mann der Renaissance, wie seine Kopfbedeckung, die Haartracht und sein herausfordernder Blick bezeugen. Alenquer hat Damião de Góis zur Welt kommen und sterben sehen. Die einen sagen, er sei nach einem Sturz gestorben. Andere, das Gesinde habe ihn aus Habgier oder auf Befehl okkulter Mächte umgebracht.

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