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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Attacken von Zeugen Jehovas zum Opfer gefallen (ihre Worte), die weiß der Himmel welche Dreistigkeiten oder Sakrilegien im Sinn hatten. Der eine hat ihr (anscheinend) sogar die Hände um den Hals gelegt, schrecklich. Der Reisende ist für einen Zeugen Jehovas gehalten worden, und er kann von Glück sagen, dass es nicht noch Schlimmeres war. Schließlich gehen sie alle gemeinsam zur Kirche, die, wie sich herausstellt, nicht die Hälfte all dieser Mühen und Aufregungen wert ist. Das Beste an der ganze Sache ist jedoch, dass die gute alte Frau sich als große Europa- Reisende erweist, denn zu Lebzeiten ihres Mannes ist sie mit ihm in fast alle Länder Westeuropas gereist (und das Wort West unterstreicht sie aus irgendeinem Grund mit weit aufgerissenen Augen), vor allem nach Italien. Sie war in Rom, Venedig, Florenz gewesen, der Reisende staunt, in Turcifal eine einfache Frau mit Schulter- und Kopftuch, in einem ärmlichen Haus in einer versteckten Seitenstraße wohnend, und so weit gereist, Gott segne sie. Frieden wurde geschlossen, doch der Reisende ist bis heute davon überzeugt, dass er für die gute Frau aus Turcifal tatsächlich ein Zeuge Jehovas ist, der verdeckt arbeitet.
    Irgendein böser Blick macht es ihm wirklich schwer. Anders lässt sich nicht erklären, dass der Reisende, fasziniert vom eigenartigen Namen der Kirche São Pedro da Cadeira, um sie herumgeht und feststellen muss, dass in der Capela de Cátela Handwerker renovieren und die Kirche selbst fest verschlossen ist. Keine Hoffnung, Erstere besichtigen zu können, tiefe Enttäuschung bei der Zweiten, denn laut bedauernder Auskunft arbeitet der Küster in seinem Garten, und ihn zu holen würde bedeuten, die Arbeit zu unterbrechen. Ganz abgesehen von dem Schaden. Der Reisende ist ein verständnisvoller Mensch, bedankt sich für die Mühe und geht seines Weges. Er tröstet sich mit dem Gedanken, dass Varatojo nah genug bei Torres Vedras liegt, um vom Wirkungsradius des Segens der menschlicheren Frauen erfasst zu werden.
    So ist es. Nachdem er Ponte do Rol passiert hat, zeichnet sich in der Ferne der mächtige Bau des Convento de Santo António ab, auf den ersten Blick nicht sonderlich vielversprechend, bloß eine Fassade mit ganz gewöhnlichen Fenstern. Der Reisende fürchtet schon das Schlimmste, dann denkt er daran, dass der Teufel nicht hinter jeder Tür lauern kann, ab und zu möchte selbst er mal an die frische Luft, schließlich hat er auch seine schwachen Momente. Kurzum, in Varatojo läuft alles bestens.
    Da der Reisende aus dieser Richtung und nicht von Torres Vedras her kommt, betritt er das Kloster von der Rückseite, und das ist auch besser so. Er betrachtet die hohe Fassade, macht sich auf die Suche nach der Tür und findet sie, eine kleine niedrige Tür, die zu einem dunklen Gang führt, der sich seinerseits zu einem hellen Innenhof öffnet. Vollkommene Stille. Der Reisende zögert, gehe ich hinein oder nicht, da erscheint ein kräftiger Mann im Rollkragenpullover. Der Reisende erwartet, dass er ihn anspricht, aber nein, der Mann erwidert lediglich den Gruß, woraufhin also der Reisende erklärt: »Ich würde mich gern umsehen …« Der Mann antwortet nur: »Ja, sicher«, dann geht er weiter, steigt in ein Auto und fährt davon. Der Reisende fragt sich: »Wer mag das sein?« Ein Priester offenbar nicht, so, wie er gekleidet war, aber der Reisende ist seit Ferreirim auf der Hut, man wird ihn nicht noch einmal bei einem Fauxpas ertappen. Wieder ist alles still. Ermutigt von der Erlaubnis, geht der Reisende entschlossen hinein und erblickt als Erstes eine kleine Treppe, die zu einem knarrenden Holzkorridor mit niedrigen Türen führt, durch die selbst der kleinste Erwachsene nur gebückt eintreten könnte. Es sind die Zellen der Mönche. Der Reisende fühlt sich an Assisi erinnert (nicht nur die alte Frau aus Turcifal hat Italien bereist) – beides sind Franziskanerklöster, es ist also nicht sehr verwunderlich, dass sie einander ähneln.
    Hinter dem Innenhof, den der Reisende zuerst gesehen hat, liegt der Kreuzgang. Er ist von der Art, wie der Reisende sie mag: schlicht, klein, verschwiegen. Da es Frühling ist, fehlt es nicht an Blumen und Bienen. Um eine Säule windet sich ein dicker Stamm, und der Reisende staunt darüber, dass der Busch mit seiner Kraft die stützende Säule nicht beiseitegedrückt und den Bogen zum Einstürzen gebracht hat. Als er den Blick nach oben richtet und nach eventuellen Schäden sucht, entdeckt er, dass die

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