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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Palastes, den Dom Pedro I., der mit der schönen Inês, hat erbauen lassen und in den später andere Könige und Herrschaften zur Sommerfrische und zum Jagen kamen. Von außen ist wenig zu sehen, und die Rufe, die der Reisende über das Gemäuer schickt, werden nur mit dem üblichen Hundegebell beantwortet. Wäre der Reisende Seine Hoheit, hätten drinnen zur Begrüßung die Pfauen von Dom Afonso V. geschrien, die mit dem Pachtzins, den Diogo Martins zahlte, unterhalten wurden.
    In Atouguia da Baleia gibt es einiges zu besichtigen, doch der Reisende sieht sich nur die Kirche São Leonardo an. Es ist ein romanisch-gotischer Bau, dessen sehr klare Linien vermutlich noch dadurch akzentuiert werden, dass das Gotteshaus leer ist. Seit zehn Jahren arbeitet man an der Restaurierung, doch ein baldiges Ende ist auch heute noch nicht abzusehen. Die gesamte Einrichtung wurde entfernt, auch alle Gemälde und Skulpturen. Indes kann man sich mit einem Blick auf die geräumigen Kirchenschiffe unschwer vorstellen, wie schön die Kirche werden wird, wenn die Restauratoren ihren Geist respektieren und alle Kunstwerke, die sich vorher hier befanden, wieder an Ort und Stelle sind und dazu andere, die es verdient hätten. Einzig verblieben ist, sorgfältig in Tücher und dicke Plastikplanen verpackt, das großartige Hochrelief Christi Geburt aus dem 14. Jahrhundert, ein höchst feinfühliges Werk. Der Künstler hat sich nicht viel um die Tradition gekümmert – wenn der Ort, an dem Maria und Josef Zuflucht fanden, so aussah, dann muss man sagen, dass die Ställe in Galiläa gut ausgestattet waren, denn Maria liegt (ein weiterer Verstoß gegen die übliche Darstellung, die sie sitzend zeigt) auf einem prächtigen Bett, während Josef in gotischer Pose schläfrig zuschaut. Die zwischen zwei Engeln hervorlugenden Köpfe des Ochsen und des Esels sehen eher wie Jagdtrophäen aus denn wie andächtige Zuschauer. Man könnte meinen, der Reisende mache sich einen Spaß, aber das ist seine Art, über ernste Dinge zu sprechen – diese Arbeit ist schlichtweg ein Meisterwerk.
    Nach Ferrel fährt der Reisende aus einem einzigen Grund: Hier soll oder sollte ein Atomkraftwerk gebaut werden. Er hat sich nicht erkundigt, ob die Bevölkerung dafür oder dagegen ist, er will lediglich einen Ort sehen, der den Umweltschützern so am Herzen liegt und Gegenstand etlicher politischer Protestaktionen war. Die Umweltschützer haben viele gute Argumente, die Demonstranten vermutlich auch, dennoch fragt sich der Reisende, ob es dann, wenn unsere bekannten Energiequellen versiegen, rationelle und wirtschaftlich günstige Möglichkeiten geben wird, die sauberen alternativen Energiequellen (Sonne, Wind, Meer) zu nutzen. Der Mensch hat immer seine Umwelt vergiftet, ist immer ein schmutziges Tier gewesen. Welche Kulturrevolution muss stattfinden, damit er auf der Evolutionsleiter höhersteigt und zum sauberen Tier wird?
    Da der Reisende in Ferrel keine Fragen stellt, erwartet er auch keine Antworten. Es sei denn, die Szene, von der er nun berichtet, könnte annähernd als eine solche gelten. Als er gerade seine Generalstabskarte konsultiert, eine mit so vielen Details, dass es einem vor Augen schwindlig wird, nähern sich drei schwatzende Jungen. Sie kommen aus der Schule, das sieht man an ihren Ranzen und ihren zufriedenen Gesichtern. Sagt der eine: »Seht mal, eine Karte.« »Ist die aber groß«, sagt der zweite. Und der dritte, für den Karten etwas anderes bedeuten, fragt: »Ist das wirklich eine Karte?« Der Reisende freut sich, eine so große Karte zu haben, dass ihretwegen drei Schuljungen stehen bleiben. Und antwortet: »Ja, aber nicht so eine, wie ihr sie in der Schule benutzt. Das hier ist eine vom Militär.« Die Jungen sind erschlagen. Der Reisende, bemüht, freundlich zu sein, spricht weiter: »Wollt ihr mal sehen, wo eure Stadt ist? Hier. Seht ihr es? Ferrel.« Ein Junge beugt sich vor und entziffert feierlich: »Fer-rel.« Und der Reisende, auf den Kinder nie besonders angesprochen haben, nutzt die Gelegenheit: »Hier ist alles drauf, hier ist Atouguia da Baleia, hier Peniche und an dieser Spitze Baleal. Die roten Linien sind die Straßen.« Worauf der Junge, der bezweifelt hat, dass das hier eine richtige Karte sei, das Gespräch beendet: »Da fehlt aber die Straße von Baleal nach Peniche.« Und nachdem die Jungen sich höflich verabschiedet haben, gehen sie nach Hause zum Mittagessen. Der Reisende blickt verärgert auf seine gepriesene Landkarte.

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