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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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folgen. Doch dehnt sich der Fluss zu einem breiten, verzweigten Binnenmeer, das Wasser reicht bis tief ins Land hinein, bildet Inseln, wäre der Sado noch etwas kühner, dann wäre er eine zweite Wolga. So aber muss der Reisende einen großen Bogen bis Águas de Moura fahren, bevor er sich endgültig Richtung Süden begeben kann. Und schon ist er im Alentejo. Doch beschließt der Reisende, dass Alcácer do Sal der äußerste Punkt der Route ist, die ihn vom Mondego hierhergeführt hat. Jeder Reisende hat das Recht, sich seine eigene Geographie zu schaffen. Tut er das nicht, kann er nur als bloßer Reiselehrling gelten, der sich noch streng an Lektion und Zeigestock des Lehrers hält.
    Alcácer do Sal liegt dort, wo der Sado Kraft sammelt, um seine weiten Arme auszustrecken, mit denen er das Schwemmland südlich der Eisenbahnlinie von Praias do Sado, Mourisca, Algeruz und Águas de Moura umfasst. Noch ist er ein Binnenlandfluss, strebt aber bereits dem Atlantik zu. Hier ahnt man nicht, welche Wucht er drei Meilen flussabwärts entwickelt. Wie der Tejo bei Alhandra. Gleich den Menschen wissen Flüsse erst, wozu sie geboren sind, wenn ihr Ende naht.

Das weite, glühend heiße Land
des Alentejo
     



Wo die Adler zur Ruhe gehen
    Der Reisende ist unterwegs nach Montemor-o-Novo. In Alcácer do Sal hat er die Kirche Senhor dos Mártires besichtigt, vom Orden Santiago im 13. Jahrhundert erbaut, und die Kirche Santa Maria innerhalb der Burg. Viel könnte man über Senhor dos Mártires mit ihren mächtigen Strebepfeilern als architektonisches Gesamtwerk sagen. Am sehenswertesten sind die dem heiligen Bartholomäus geweihte achteckige Kapelle und eine andere gotische, in der der Sarkophag eines Ordensmeisters steht. Die Kirche Santa Maria hoch droben wird von einer sehr alten Frau gehütet, weniger taub, als sie zu sein vorgibt, und mit ironischem Blick, der plötzlich hart wird, als sie unauffällig das Trinkgeld zählt, das die Hand flink in die Schürze gesteckt hat. Aber ihre Klagen sind aufrichtig: die Kirche sei in einem erbärmlichen Zustand, die Statuen seien weg, die Altartücher abgenommen und nicht zurückgebracht, sie vermutet, der Priester kümmere sich nun, weil er es leid sei, so hoch hinaufzusteigen, mehr um die Gemeinde in der Ebene und lasse die Sachen dahin bringen. Zum Glück können weder die Portale des ursprünglichen Baus noch die romanischen Kapitelle in einen Sack gesteckt oder auf dem Rücken weggeschleppt werden, wobei der Reisende bezweifelt, ob so alte Dinge für den modernen klerikalen Geschmack überhaupt von Interesse wären.
    Weiter oben stehen die Ruinen eines Klosters. Die Pforte öffnet eine sehr junge Frau, hilfsbereit und flink im Antworten, die erklärt, was sie weiß, und sich entschuldigt, dass sie so wenig weiß. Sie gibt keine Ruhe, bis sie den Reisenden zur höchsten Mauer geführt hat, nur um ihm die Landschaft zu zeigen, wo der Sado sich weit zwischen leuchtend grünen Reisfeldern dehnt. Auch sie beklagt sich: Man habe aus der verfallenen Kirche die Azulejos geholt, mit denen sie von oben bis unten ausgekleidet war. »Und wo sind sie jetzt?«, fragt der Reisende. Die junge Frau sagt, jemand habe ihr erzählt, die Azulejo-Bilder befänden sich jetzt in der Pfarrkirche von Batalha, so viel, wie da hineinpasste, der Rest werde irgendwo in Kisten gelagert. Der Reisende kramt in der Erinnerung, aber die Erinnerung lässt nicht in sich kramen. Er wird noch einmal nach Batalha fahren müssen, um die Sache zu klären. Diese Burg indes macht ihrem Namen Castelo de Alcácer, Festung des Alkazar, alle Ehre: In ihren frühen Tagen muss sie beachtlichen Widerstand geleistet, alle abgewehrt haben, denn erst unter Afonso II. nahm sie, ohne sich weiter zu spreizen, die Portugiesen in sich auf.
    Der Reisende folgt einer verschlungenen Route zwischen üppigen Feldern, denen die Sonne anscheinend nichts anhaben kann, überquert den Fluss Sitimos (solche rätselhaften Namen geraten allmählich in Vergessenheit), und wer ihn sähe, würde meinen, dass er den Alto Alentejo hinter sich lasse und auf direktem Weg in den Süden sei. Doch fährt er nur einen Umweg. Nachdem er in Torrão in der Pfarrkirche die Azulejo-Paneele angesehen und sich bei der Person bedankt hat, die, um ihm die Tür aufzuschließen, ihr Mittagessen unterbrochen hat, begibt er sich wieder Richtung Norden, nach Alcáçovas, einem Ort, der hier genannt wird, weil er das Geheimnis entdeckt hat, wie Kunstschätze zu schützen sind,

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