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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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zumindest die in der Kirche, und das ist schon eine ganze Menge. Genau genommen ist es das Ei des Kolumbus: die Kirche neben den Polizeiposten setzen (wenn es nicht umgekehrt war), den Schlüssel dem diensthabenden Beamten in Obhut geben, und wer die Kirchenschätze von Alcáçovas sehen möchte, muss seinen Personalausweis hinterlegen, dann geht ein Polizist mit dem Besucher mit und entriegelt die Tür. Wer mit bösen Absichten kommt, dem werden bei dieser Zeremonie sicherlich die Nerven versagen.
    Der Reisende hatte schon zuvor die Barockfassade sehr bewundert. Im Innern ist es eine geräumige, luftige Salon-Kirche mit hohen dorischen Säulen und einer weiten Kassettenkuppel, mit Emblemen bemalt. Rechter Hand vom Eingang liegt eine ganz mit Azulejos ausgekleidete Kapelle, darin eine strenge Jungfrau Maria mit starrer Stola, deren Anblick den Reisenden verunsichert, bis ihm der Verdacht kommt, dass es sich um eine moderne Imitation handelt – trotzdem ist die Wirkung großartig. Ganz anderer Herkunft und makellos ist die aus dem 15. Jahrhundert stammende Grabkapelle des Henriques de Transtâmara. Der Reisende verweilt länger, als die Schönheit des Raums rechtfertigt, doch mag er nicht das Ehrgefühl der schlüsselverwahrenden Instanz kränken. Schließlich holt er seinen Personalausweis wieder ab und fährt weiter nach Santiago do Escoural, wo er sich unbedingt die Höhlen ansehen will. Die Straße führt direkt daran vorbei, doch weder diese Tatsache noch die bestellten Felder ringsum beeinträchtigen die Ursprünglichkeit des Ortes. Die Höhlen, die man besichtigen kann, sind niedrig und schwierig zu begehen. Der Fremdenführer weist auf Spuren von Malereien hin, auf Knochenfragmente hier und da in den Wänden, und man merkt ihm an, dass er seine Arbeit liebt. Er muss dieselben Worte ständig wiederholen, doch da die Besucher wechseln, sagt er sie im Ton einer ganz frischen Neuigkeit, so als hätten er und in diesem Fall der heutige Besucher soeben die Höhlen entdeckt. Es heißt, hier hätten vor 17 000 Jahren Männer und Frauen gelebt, dann wurden die Höhlen zu einer heiligen Stätte und später zu einem Friedhof. Die Reihenfolge hat ihre unbestreitbare Logik.
    In Montemor-o-Novo besichtigt der Reisende als Erstes die Burg, die von weitem, von Osten her, wie eine solide, intakte Anlage aussieht. Doch hinter den Mauern und den östlichen Wehrtürmen gibt es nur noch Ruinen. Und der Zugang dorthin ist alles andere als einfach. Der Reisende muss allerhand Mühen auf sich nehmen, um das maurische Schlachthaus mit seiner eleganten Kuppel aus der Nähe zu sehen. Alles verkommt. Steine haben sich mit der Zeit gelöst und sind herausgefallen, auch haben Leute für ihre eigenen Bauvorhaben Steine herausgerissen und mitgenommen. Von der ehemaligen Kirche Santa Maria do Bispo steht noch das manuelinische Portal, davor ein Drahtgitter wie für einen Hühnerstall, vom Palast der Alkalden zerlöcherte Türme und Giebel, die Kirche São João ist abbruchreif. Auf dieser Reise hat es an desolaten Anblicken nicht gefehlt – dieser übertrifft alles. Als Entschädigung will der Reisende die Kirche des Convento da Saudação besichtigen, doch verwehrt man ihm den Zutritt. Nichts zu machen. Also geht er ins Kloster Convento de Santo António und tröstet sich mit den wunderbaren polychromen Azulejos, mit denen die Kirche von oben bis unten ausgekleidet ist. Die ehemaligen Zellen hat man zu einem Stierkampfmuseum umfunktioniert. Jedem nach seinem Geschmack. Nach dem Geschmack des Reisenden ist die Wallfahrtsstätte Nossa Senhora da Visitação, in ländlicher Interpretation des Manuelinisch-Mudéjar-Stils erbaut, wobei kleine zylindrische Türme und große, weißgekalkte Flächen entstanden sind. Die Fassade stammt aus dem 18. Jahrhundert, kann allerdings nicht alle Spuren des Originals überdecken. Im Innern erfreut sich das Auge an üppig verzierten Azulejos und Gewölberippen. Am Eingang steht eine große Holztruhe für den Weizen, der für die Kosten des Gottesdienstes gespendet wird. Der Reisende wirft einen Blick hinein: tief unten ein paar spärliche Handvoll Körner, entweder zur Ermunterung gedacht oder die Reste der Kollekte.
    Auf dem Weg nach Arraiolos, Stadt der Teppiche und des Herrenhauses Sempre Noiva, schwankt der Reisende, ob er nicht einen Abstecher nach Gafanhoeira machen soll. Dort lebt ein Mann, der zehnzeilige Spott- und Groteskengedichte aufsagt, einmal Straßenwärter war und auf den wunderbaren Namen

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