Die Portugiesische Reise (German Edition)
vom unerwarteten Besuch des Reisenden nicht stören lässt. Vielleicht, weil er selbst zu dieser Stunde tiefe Trägheit empfindet, den Wunsch, eine Pause zu machen, nur zu ruhen hier zwischen den Schafen unter dem so gar nicht mehr triumphalen Bogen, in den andere, nach Unsterblichkeit dürstende Besucher ihren Namen geritzt haben. Alle Reisen haben irgendwann ein Ende, und Juromenha wäre für den Abschluss kein schlechter Ort.
Doch solche Gedanken vergehen. Der Reisende widersteht der Versuchung, sich hypnotisieren zu lassen, und geht in der sengenden Sonne weiter über Staub und lose Steine. Er achtet darauf, wohin er die Füße setzt (es könnte ja ein Schatz auftauchen, nicht wahr?), doch auf einem etwas ebeneren und saubereren Weg kann er den Blick heben. Er hatte den Guadiana vergessen, und da ist er nun, herrlich frisch, wie die Bächlein, die der Quelle entspringen und das letzte Refugium für Kräuter und Enten sind. Der Guadiana umspült seine Ufer mit Leben, ohne zwischen dem hiesigen und dem dortigen, das der Landkarte nach auch ein hiesiges ist, einen Unterschied zu machen, und erweckt den merkwürdigen Eindruck, ein urwüchsiger Fluss zu sein, obwohl er in Sichtweite eines bewohnten Ortes vorüberfließt. Er ist fraglos der am wenigsten bekannte Fluss auf portugiesischem Gebiet.
Der Reisende kehrt auf die Landstraße zurück, Richtung Alandroal, wo er nur zu einer Erfrischung anhält. Von dort geht es weiter südwärts, nach Terena. Der Reisende möchte die Festungskirche sehen, die mehr als alle ihresgleichen eher Festung denn Kirche ist. So sieht es auf den Fotos aus, und der Reisende hat die Bestätigung bald vor Augen. Nähme man ihr den Glockenturm, wäre sie eine perfekte kleine Burg mit ihren kräftigen spitzen Zinnen und dem Austritt, der sich mühelos zu einem Bollwerk machen ließe, sofern das nicht sowieso seine ursprüngliche Funktion war.
Räumlich ist diese Kirche Nossa Senhora da Boa Nova wie ein Turm mit kreuzförmigem Grundriss und gleich langen Flügeln, gedrungen und niedrig, auch wenn sie von innen höher wirkt. Dieses kostbare Kleinod unserer mittelalterlichen Architektur wird dem Reisenden in Erinnerung bleiben, zumal die Kirche intakt ist. Auch anderen ist sie in Erinnerung geblieben, wie zum Beispiel Alfonso X. von Kastilien, der in seinen Cantigas de Santa Maria von ihr spricht. Der Überlieferung nach wurde Boa Nova auf Geheiß einer Tochter von Dom Afonso IV., König von Portugal, im Jahre 1340 erbaut. Alfonso X. jedoch starb 1284. Ist die Kirche älter, als behauptet wird, oder stand an ihrer Stelle schon eine andere? Eine Frage, die der Klärung noch harrt, so wie auch die rätselhafte Deckenbemalung in der Hauptkapelle, die auf den ersten Blick wie eine Illustration der Apokalypse wirkt, jedoch Figuren zeigt, die im Johannes-Evangelium nicht vorkommen. Die anderen Flügel der Kirche sind mit volkstümlichen Heiligendarstellungen bemalt.
Als der Reisende Redondo erreicht, hat er für viele Besichtigungen keine Zeit mehr. Er sieht sich die Pfarrkirche und die Igreja da Misericórdia, diese innerhalb der Burg, von außen an, und die Burgtore da Revessa und do Relôgio. Mehr nicht. Er verzichtet darauf, zu den Dolmen in der Serra de Ossa zu fahren, nicht wegen der Bären, die gibt es nicht mehr, sondern wegen der Zeit, denn auch die hat er nicht mehr. Dafür isst er die köstlichsten, saftigsten und prächtigsten Schweinskoteletts, die ihm je zwischen die Zähne gekommen sind. Wenn Redondo allen seinen Besuchern so etwas bietet, wird es ihm nicht an Freunden mangeln.
Die Nacht, in der die Welt begann
Der Reisende befindet sich in Évora. Dieses ist der berühmte Platz des Giraldo, jenes Raubritters oder reitenden Räubers, genannt der Furchtlose, der sich die Eroberung von Évora zum Ziel setzte, damit Afonso Henriques ihm seine Übergriffe und Verbrechen vergab. Die Eroberung gelang ihm dank seiner Arglist und der Arglosigkeit der Mauren, deren Wache in einem Turm aus nur einem Mann und dessen Tochter bestand, doch wachten diese keineswegs, vielmehr lagen sie in tiefem Schlaf, als der Furchtlose ihnen gnadenlos die Kehle durchschnitt. Armes Mädchen. In der Aufregung über den Verrat und in der Annahme, sie würden von einer anderen Seite der Stadt angegriffen, ließen die Mauren die Tore der Festung offen, worauf die übrigen christlichen Soldaten, unterstützt von mouriscos und moçárabes , eindrangen und nach Belieben Gefangene nahmen und mordeten. Das geschah im
Weitere Kostenlose Bücher