Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
Vom Netzwerk:
zeigen diese Gemälde, von dem erwähnten Bischof Dom Afonso de Portugal in Flandern bestellt, in Genauigkeit der Darstellung und Farbenreichtum das gleiche Niveau, auch wenn der Betrachter alsbald merkt, dass den größten künstlerischen Wert das Bild von der Jungfrau Maria als Nossa Senhora da Glória besitzt. Die prächtige Komposition zeigt unisono musizierende und singende Engel, während vier weitere Engel eine Krone über den Kopf der Jungfrau halten. Sämtliche Gemälde sind anonym. Zur damaligen Zeit arbeiteten in den Ateliers der Meister viele große Künstler – sie verrichteten ihr Tagwerk, malten die Landschaft im Hintergrund, die Gebäude, die Kleidung, die große oder kleine Menge an Fauna und Flora, die das Motiv verlangte, gelegentlich auch die Gesichter der Nebenfiguren, dann kam der Meister mit seinem Gigantenfinger, pinselte hier und da, korrigierte, was nötig, und wenn er befand, das Werk könne so gezeigt werden, wurde es auf den Weg gebracht. Wer war der Künstler, wer hat es gemalt? Das weiß man nicht. Wenn viele Hände beteiligt sind, sieht man nur das Resultat.
    Gleich nebenan steht die Igreja dos Lóios. Man geht die Stufen unter dem Vordach hinunter und betritt die gotisch-manuelinische Kirche. Da in ihr keine Gottesdienste mehr abgehalten werden, herrscht eine etwas kalte Atmosphäre, in diesem Fall verstärkt durch die Azulejos aus dem 18. Jahrhundert. Diese Kirche war sehr beliebt bei Leuten, die nach ihrem Tod Eindruck machen wollten – hier befinden sich ungewöhnlich schöne Grabsteine und im angrenzenden Museum zwei Bronzegrabplatten, eine flämische Arbeit aus dem 15. Jahrhundert, an deren wunderbaren perspektivischen Darstellungen in minuziös spätgotischem Stil das Auge sich nicht sattsehen kann.
    Den Palast der Grafen de Basto, einstmals Sitz des Ordem de Cavalaria de São Bento de Calatrava, besucht der Reisende nicht. Doch stellt er mit großem Interesse fest, dass dessen Mauern auf der römisch-westgotischen Stadtmauer ruhen, ein Bauwerk, das fünfzehn bis siebzehn Jahrhunderte alt ist, aber noch immer jugendlich frisch wirkt. Alle Welt findet es selbstverständlich, dass alte Steine neue Steine tragen, doch wird gern belächelt, wer nach den ersten Grundsteinen von Gesten und Haltungen, von Ideen und Überzeugungen des anonymen Passanten fragt, der dort drüben geht, oder des Reisenden, der nun hier steht. Solche Menschen sind fest davon überzeugt, dass Minerva tatsächlich gewappnet und ausgerüstet dem Kopf des Jupiter entsprang, ohne das Elend und die Freuden der Kindheit oder die Fehler und Abenteuer des Lernens durchzumachen.
    Linker Hand des Weges, den der Reisende geht, liegt das Lyzeum, das einmal eine Universität war und es nun wieder ist. Der Kreuzgang mit seinen leichten, zierlichen Bögen hat etwas Ländliches. Der Mittelkorpus, früher Kapelle, dann Raum für die Abschlussexamen, steht im Widerstreit mit den Arkaden, ist aber, separat betrachtet, eine der harmonischsten Fassaden, die das frühe Barock uns beschert hat.
    Wäre die Sonne nicht so stechend heiß, würde der Reisende vielleicht stundenlang auf dem Platz Largo da Porta de Moura verweilen. Die Arkaden dort spenden schönen Schatten, doch der Reisende wäre gern vom oberen Ende, von dem man den Brunnen und den Aussichtspunkt Mirante dos Cordovis sieht, zum unteren Ende gegangen, von wo er den Brunnen und die Türme der Kathedrale gesehen hätte. Das klingt nicht großartig für jemanden, der schon so vieles gesehen hat, und dennoch ist dieser Platz mit diesem wenigen, abgesehen von der brennenden Sonne, ein erholsamer Ort, so einheitlich im Ton, so klar und ruhig. Der Reisende liest die Inschrift auf der großen Renaissance-Kugel: »Anno 1556«, und staunt, dass es Leute gibt, die nicht alt werden. Aber die Hitze ist wirklich unerträglich. Also geht er auf einen Sprung in die Kirche da Misericórdia, um die barmherzige Kühle zu genießen und etwas weniger die Azulejo-Bilder, auf denen die Werke der geistigen Barmherzigkeit dargestellt sind: Nach konventioneller Art angefertigt, geben sie sich wie ein Trägermaterial mit so spezifischen Ansprüchen wie eine Holztafel oder Leinwand, weshalb das Ergebnis so wenig überzeugend ist wie die Übertragung eines Gemäldes auf einen Teppich. Aber die Temperatur ist, keine Frage, sehr erfrischend, und das Altarbild in der Hauptkapelle bezwingt mit seiner maßlos üppigen Dekoration den bekannten Widerstand des Reisenden gegen Schnitzereien.
    Hier

Weitere Kostenlose Bücher