Die Portugiesische Reise (German Edition)
scheint.
In Vila Viçosa besucht man den Paço Ducal. Der Reisende nimmt sich nicht von dieser Pflicht aus, die ja auch durchaus Vergnügen bereitet, doch muss er gestehen, dass solche Paläste ihn immer fast an den Rand geistiger Verwirrung bringen. Die Überfülle an Gegenständen, Exzellentes neben Mittelmäßigem, ein Saal nach dem anderen, das alles ermüdet ihn hier genauso wie schon zuvor in Sintra oder Queluz. Oder in Versailles, ohne sich damit brüsten zu wollen. Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass der Palast von Vila Viçosa so aufmerksam besucht zu werden verdient, wie es die Zeiten zulassen, an die sich die Fremdenführer halten müssen. Nicht immer ist der als sehenswert hervorgehobene Gegenstand, was der Reisende lieber betrachten würde, doch die Auswahl gehorcht vermutlich einem Durchschnittsgeschmack, mit dem man alle zufriedenstellen möchte. In jedem Fall herrscht garantiert Einstimmigkeit bei den Sälen der Tugend (Sala das Virtudes) und der Herzoginnen (Sala das Duquesas), auch im Herkules-Zimmer im Nordflügel und dem Gemach der Königin (Sala da Rainha) und dem David-Saal (Sala de David), wobei die Dekoration mit Azulejos aus Talavera am Fuß der Wände im letztgenannten besonders hervorzuheben ist. Großartig ist auch die Kassettendecke in der Sala dos Duques und ausgesprochen schön die Hauskapelle der Herzogin Dona Catarina, deren Deckenbemalung von Themen aus Pompeji inspiriert ist. Gemälde gibt es in großer Zahl in Vila Viçosa, viele von zeitgenössischen Portugiesen und auch ein paar gute Kopien von Gemälden aus dem 16. Jahrhundert, insbesondere von van der Goes’ Kreuzabnahme . Und dass der Reisende sich auch die Küche ansieht und über die Vielzahl und Vielfalt der Kupfergeräte staunt, dann die Waffen, Rüstungen und Harnische besichtigt und auch die Remise von Dom João V. sich nicht entgehen lässt, hat seinen Grund darin, dass man sich alles ansehen muss, um etwas über das Leben der Herzöge zu erfahren und derer, die ihnen dienten, auch wenn die Besichtigung des Palastes über diese nicht viel Auskunft gibt.
Draußen betrachtet der Reisende das Reiterstandbild von Dom João IV. Er findet, die Mähne passt besser zu der Statue von Dom João I., die in Lissabon steht, was natürlich weder für die erste schmeichelhaft ist noch die zweite aufwertet. Und um das Herz von dieser Last zu befreien, geht er in die Altstadt, die die besondere Schönheit der alten Alentejaner Orte besitzt. Bevor er zur Burg hinaufsteigt, die viele Besucher nicht beachten, was ein Fehler ist, betritt er die Kirche Nossa Senhora da Conceição, von oben bis unten mit polychromen Azulejos ausgekleidet – ein weiteres Beispiel, das uns vor die Frage stellt, warum wir dieses wunderbare Material vergessen oder es, wo es heute verwendet wird, so verhunzt haben.
Der Reisende bewundert gebührend die Heilige, die Dom João IV. ohne Rücksicht auf göttlichen Willen krönte und zur Schutzpatronin Portugals erklärte, außerdem weiter Azulejos, diese von Policarpo de Oliveira Bernardes, einem sehr qualifizierten und produktiven Künstler. Da der Reisende aber, wie schon bei anderen Gelegenheiten bewiesen, besonders auf kleine und alltägliche Dinge achtet, indes auch sich bemüht, die seltenen und großen nicht außer Acht zu lassen, verwundert es nicht, dass ihm die imposanten Truhen für Getreide- und Olivenölspenden aufgefallen sind, die gleich am Eingang stehen, und ebenso die beachtlich großen Kollektekästen, der eine, in Form und Beschriftung älter, für die päpstliche Bulle der Kreuzzüge, der andere, theatralisch wie ein barockes Altarbild, für die Schutzpatronin. Jeweils rechts und links vom Mittelschiff an den Säulen stehend, fordern sie die Gläubigen zu Großzügigkeit auf. Wer die Pfarrkirche von Vila Viçosa betritt und Geld, Olivenöl oder Getreide abzugeben hat, muss ein sehr hartes Herz besitzen, wenn er nicht erleichtert wieder hinausgeht.
Die Burg von Vila Viçosa, womit der Reisende das sogenannte Castelo Novo meint, im 16. Jahrhundert auf Geheiß des Herzogs Dom Jaime errichtet, ist eindeutig ein Kastell. Alles ist der militärischen Funktion untergeordnet. Eine solche Festung, deren Mauern an manchen Stellen vier bis sechs Meter dick sind, muss im Hinblick auf lange, erbitterte Belagerungen geplant worden sein. Angesichts des trockenen Grabens, der mächtigen runden Wehrtürme, so weit vorgeschoben, dass jeder zwei Seiten des Vierecks abdeckt, der breiten Rampen innerhalb
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