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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition)
Autoren: José Saramago
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Reisende kann sich folglich nicht ausmalen, dass die verliebte Nonne sich himmlische Botschaften zugunsten ihrer irdischen Liebe ausdachte, doch zweifelt er nicht daran, dass andere Nonnen beim Anblick der sinnlichen Silberpracht von den Heiligen Schutz erbaten, sowie diese auf die Prunksitze gesetzt wurden.
    Im schön geschnittenen Kapitelsaal mit seiner zarten Deckenbemalung befindet sich eine kostbare Azulejo-Sammlung, mit der sich nur die in Sintra messen kann: nach der Fettschnurtechnik hergestellte Azulejos aus Sevilla mit einer Art gotischem Brokat; Relief-Azulejos, ebenfalls aus Sevilla; andere, valencianisch beeinflusst, aus Manises, einfarbig grün oder blau mit Kupferschimmer. Besonders bemerkenswert ist, wie harmonisch die Exponate, obwohl in Farbe und Muster unterschiedlich, die einen aus dem 15. Jahrhundert, die anderen aus dem 16. Jahrhundert, in diesem einen Raum zusammenpassen. Sie bilden unbestreitbar eine Einheit. Der Reisende, der mitunter Schwierigkeiten hat, zur Hose das passende Hemd zu wählen, erfreut sich an diesem kompositorischen Können.
    Anschließend sieht er sich die Gemälde an, die überraschend gut, aber wenig bekannt sind. Eine Ausnahme bildet natürlich der São Vicente , dem Mestre de Sardoal oder seiner Schule zugeschrieben. Es ist, ohne zu übertreiben, ein Meisterwerk, dem jedes ausländische Museum zu höchstem Ruhm verhelfen würde. Aber wir hier in Portugal haben so viele Salons und dazu die Angewohnheit, zu jeder Mahlzeit Champagner zu trinken, dass wir den Flur mit den Kunstwerken kaum beachten. Auch von vielen anderen Bildern könnte und müsste der Reisende sprechen, er nennt nur die Gemälde von Riberas, die Santa Barbara , den zarten, anmutigen Christus von Arellano, die impressionistische Geißelung und vor allem, nicht wegen seines künstlerischen Werts, der ist nicht sonderlich groß, sondern wegen der unfreiwilligen Situationskomik, die Geburt Johannes des Täufers : die familiäre Atmosphäre, das Durcheinander von Menschen und Engeln, die sich um das Neugeborene drängen (während im Hintergrund, noch liegend, die heilige Anna die Geburtsurkunde aufsetzen lässt), über all das muss der Reisende vor Vergnügen lachen. Davon kann er auf der weiteren Fahrt gut zehren.
    Solch eine Reiseroute wirkt wie eine Irrfahrt. Schon vom Pulo do Lobo nach Beja führte sie nach Nordwesten, und nun fährt der Reisende direkt nach Norden, zuerst nach Vidigueira, dann nach Portel. Doch in jedem Ort, den er passiert, findet er etwas, und wenn er nach dem Weg fragt, weiß er immer, wohin er möchte, er ist also ein Reisender, der sich selbst gefunden hat.
    Wer Vidigueira sagt, sagt auch Vasco da Gama und Weißwein – mögen die Puristen verzeihen, denen es respektlos erscheinen mag, Geschichte und Wein so miteinander zu verknüpfen. Die Gebeine des Admirals von Indien hat man nach Belém in Lissabon gebracht. Aus seiner Zeit erhalten ist der Uhrenturm, von dem man noch heute die Schläge der Bronzeglocke hören kann, die er vier Jahre vor seinem Tod 1524 im fernen Cochin hat gießen lassen. Der Weißwein ist noch immer bestens und wird das voraussichtlich noch sein, wenn der Reisende nicht mehr ist.
    Beim Höhenzug Mendro beginnt der Distrikt Évora. Portel liegt ein paar Kilometer weiter. Sein Charme sind die verwinkelten, jeder Geraden widerstrebenden Straßen und die schmiedeeisernen Verzierungen etlicher Fassaden. Hier und da gibt es noch gotische Portale, auch manuelinische, und ein paar alte Gebäude, wie das Açougues, mit Wappensteinen, außerdem die Kirche Misericórdia, in der man neben der opulenten Empore für die Bruderschaften eine Holzskulptur des toten Christus aus dem 15. Jahrhundert bewundern kann, eine wunderschöne gotische Schnitzarbeit. Der Reisende fährt hinauf zur Burg, um den Ausblick auf die Landschaft zu genießen und die Steine zu betrachten. Mit der Aussicht wird er belohnt – vom Vorplatz des Bergfrieds blickt man direkt auf die Welt, wenn man den Arm ausstreckt, könnte man den Horizont berühren. Das ist charakteristisch für die Ortschaften im Alentejo: Sie machen einem nichts vor, was sie haben, zeigen sie. Die Burg ist achteckig, von zwei Mauerringen umgeben, einige der runden Wehrtürme stammen aus dem 13. Jahrhundert und der Zeit des Königs Dom Manuel I. Es gibt noch Reste eines Palastes der Herzöge von Bragança und einer Kapelle, das alles für ein ungeübtes Auge kaum erkennbar. Ein besser geschulter Blick wird darin den Stil von
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