Die Portugiesische Reise (German Edition)
die Erdhöcker klettern zu allen Seiten übereinander, als wollten sie sehen, ob der Reisende sich festfährt, ins Schleudern gerät oder einfach aufgibt. Der Reisende nimmt die Herausforderung des unbekannten Planeten an, er beißt die Zähne zusammen, macht sich federleicht, um die gequälten Stoßdämpfer zu schonen, und atmet auf, als ein Stück glattes Pflaster kommt.
Doch fast hätte er sich geschlagen gegeben. Es geht steil abwärts mit einer irrsinnigen Kurve nach links, als wäre die Straße quer abgeschnitten, so steil, dass die Steine ins Rollen geraten und holterdiepolter ins felsige Tal fallen, wo ein schmaler Streifen Grün verrät, dass es dort Wasser gibt. Den Reisenden verlässt der Mut, er denkt ans Umkehren. Es wäre eine Schande, aber mit so einer kann ein Mann leben. Doch wie umkehren? Rückwärtsfahren ist riskant, wenden unmöglich. Solange der Weg nicht zu Ende ist, falls er überhaupt je endet, muss er ihm folgen. Also gut. Vorsichtig fährt der Reisende weiter, eine Schnecke käme schneller voran, und da ist die Kurve, fast im rechten Winkel. Unten fließt ein Fluss, zwei Männer und ein Junge stehen da, sie blicken dem Reisenden verblüfft entgegen. »Guten Tag. Ist das da der Guadiana? « Dass es nicht der Guadiana ist, weiß der Reisende nur zu gut, er hat die Frage wie einen Bannspruch hingeworfen. »Nein, Senhor. Das hier ist der Limas.« »Und Pulo do Lobo, ist es noch weit bis dahin?« »Ungefähr drei Kilometer«, antwortet der ältere Mann. »Wie ist der Weg?« »Nicht schlimmer als bis hierher. Es kommt noch ein Stück mit Steinen, dann wird es besser. War eine schöne Schwitzpartie, was?« Der Reisende versucht zu lächeln, doch sein Gesicht verzieht sich jämmerlich: »Seien Sie mir bloß still davon. Also, wo geht es nach Pulo do Lobo?« »Sie fahren immer geradeaus, an zwei Gehöften vorbei, dann geht es tief runter, wenn Sie zu einer großen alten Korkeiche kommen, biegen Sie rechts ab, und dann können Sie es gar nicht mehr verfehlen.«
Über die Steinplatten im nun trockenen Flussbett (wie mag es hier im Winter sein?) gelangt der Reisende auf die andere Seite. Wieder geht es bergauf, um Steine kümmert er sich nicht mehr, wer A sagt, muss auch B sagen, aber wo sind die Gehöfte, die alte Korkeiche, der Erdweg, der zum Ziel führen soll, wo ist das verdammte Pulo do Lobo abgeblieben? Hätte der Reisende auch nur ein Fünkchen Vernunft, würde er umkehren, aber er ist hartnäckig, halsstarrig, er hat sich in die Idee verbissen, nichts wird ihn davon abbringen. Endlich hat die Wüste ein Ende. Da ist das erste Gehöft, das zweite, aber keine Menschenseele zu sehen, und dahinten die Korkeiche, der Abzweig nach rechts. Dies ist die himmlische Straße. Sie verläuft oben auf den Hügelkuppen, führt nie ins Tal hinunter, und nachdem sie ein letztes Mal in einer weiten Kurve angestiegen ist, endet sie vor einem verfallenen Gehöft. Ab dort wird es ein Feldweg, darauf Spuren von Treckerrädern. Zu Fuß beginnt der Reisende mit dem Abstieg. Er ist zufrieden. Pulo do Lobo muss dahinten sein, noch ist nichts zu sehen, doch schon allein, dass er es bis hierher geschafft hat, ist keine geringe Leistung.
Plötzlich, als wäre ein Vorhang aufgegangen, liegt der Guadiana vor ihm. Der Guadiana? Ja, ein schmales Wasserband auf dieser Seite, das in Stromschnellen herabstürzt, hat Ähnlichkeit mit einem Fluss. Aber nicht dieses riesige Felsenfeld, das sich nach links erstreckt, wie von einer tiefen Verwundung zerfetzt, in der hier und dort weißer Schaum aufleuchtet. Das hier ist nicht Portugal, das hier ist ein Stück von einer anderen Welt, die Reste eines aus dem All herabgestürzten, ungeheuerlich großen Meteoriten, der beim Aufschlag zerbrochen ist, damit das Wasser hindurchfließen kann. Auf dem verbrannten, schroffen, schrundigen Fels, gestachelt mit scharfen Zacken, kann kein Grashalm wachsen. Der Fluss kocht zwischen den stahlharten Wänden, das Wasser faucht und tost und wirbelt und frisst einen Millimeter pro Jahrhundert, pro Jahrtausend, ein Nichts in der Ewigkeit – eher geht die Welt unter, als dass das Wasser seine Arbeit beendet hat. Der Reisende ist vor Staunen wie erstarrt. Vergessen sind der gefährliche Weg, der heiße und der kalte Schweiß, die Angst vor einem Unfall, das mitleidige Kopfschütteln des Mannes in Serpa. Und er fragt sich: »Wie ist es möglich, dass es dies hier in Portugal gibt und so wenige davon wissen und noch weniger es kennen?« Es wird ihm sehr
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