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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Gestern noch hat der Reisende mit Staunen, und nur mit diesem einen Wort, von der Landschaft zwischen Mourão und Moura, zwischen Moura und Serpa gesprochen. Was soll er nun sagen, als er über Trindade und Albernoa die Ebene Richtung Castro Verde durchquert? Oh, ihr alle, die ihr euch am Strand in die Sonne legt, kommt nach Albernoa, dort werdet ihr die wahre Sonne kennenlernen. Seht, wie trocken die Bäche sind, das Flussbett bei Marzelona, der Fluss Terges, die winzigen, unsichtbaren Nebenflüsschen, die sich nicht von der Landschaft abheben, diese selbst so trocken wie sie. Hier braucht man nicht im Wörterbuch nachzuschlagen, um zu erfahren, was die drei Wörter Hitze, Durst, Großgrundbesitz bedeuten. Der Reisende hat einige Kenntnisse über diese Gegend, doch was man mit eigenen Augen sieht, ist immer größer und mehr, als man zu wissen meinte.
    Ein Milan überquert im Schwebeflug die Straße. Er war aus der Höhe herabgeschossen, anscheinend hatte er die Beute deutlich zwischen den Stoppeln ausgemacht, doch dann hatte er den Sinkflug mit einem Flügelschlag unterbrochen und war in einem anderen Winkel zu den Hügeln jenseits der Straße gleitend weitergeflogen. Er ist auf der Jagd, ganz allein in der unendlichen Weite des Himmels, ganz allein auch in der unendlichen Weite der glühenden Landschaft, du Raubvogel, Kraft aus Seide und Stahl, nur wer dich niemals gesehen hat, kann dich des Räuberns zeihen. Flieg weiter und lebe.
    Castro Verde, Grünes Kastell, trägt seinen Namen zu Recht. Es liegt auf einer Anhöhe und bietet mit seiner Vegetation dem Auge Erholung vom trockenen Ödland der Ebene. Ginge es dem Reisenden heute nur um Baudenkmäler, hätte das wenige, was es zu sehen gibt, kaum die weite Anreise gelohnt, auch wenn die mehr als vierzig Kilometer Fahrt zwischen abgeernteten Feldern es wert waren. Die Kirche Chagas do Salvador, in der es naive Bilder mit Kriegsszenen und schöne Azulejos an den Wänden zu sehen gibt, steht offen, nicht aber die Pfarrkirche, die man hier königliche Basilika nennt. Der Reisende ringt die Hände. Er macht sich auf die Suche nach dem Priester, der da und da wohnt, in einem ganz mit Wein bewachsenen Haus, verläuft sich ein paarmal, doch endlich findet er das Haus, da sind die Weinreben. Nur der Priester ist nicht da. Der Reisende geht um das Haus herum, nach hinten aufs Grundstück, kein Hund bellt, keine Katze faucht. Verärgert kehrt er zur Kirche zurück, rüttelt an den schweren Türen (es ist ein mächtiger Bau, in dem es Azulejo-Bilder mit Szenen von der Schlacht von Ourique geben soll), doch der heilige Ort zeigt kein Erbarmen. Wären diese Dinge ordentlich organisiert, käme, wenn der Priester nicht da wäre, ein Engel an die Tür, würde sich mit den Flügeln Kühlung zufächeln und fragen: »Was möchtest du?« Der Reisende: »Ich möchte die Azulejos sehen.« Darauf der Engel: »Bist du gläubig?« Der Reisende würde beichten: »Nein. Spielt das eine Rolle, nur um die Azulejos zu sehen?« Der Engel: »Nein, überhaupt nicht. Komm herein.« So sollte es sein. Und wenn der Priester zurückkäme, würde der Engel Bericht erstatten: »Hier war ein Reisender, der die Azulejos sehen wollte. Ich habe ihn eingelassen. Er machte einen ordentlichen Eindruck.« Darauf der Pater, um irgendetwas zu sagen: »War er gläubig?« Und der Engel würde antworten, obwohl er nicht gern lügt: »Ja.« In einer solchen Welt, denkt der Reisende, bliebe kein einziges Azulejo-Bild ungesehen.
    Merkwürdig. In der Gegend von Albernoa hat der Reisende einen Milan gesehen, hier begegnet ihm wieder einer, doch dieser ist in einem Käfig eingesperrt. Er hat sich noch nicht damit abgefunden, sofern Tiere sich überhaupt damit abfinden können, vor allem wenn sie bei der Gefangennahme schon ausgewachsen waren. Er kommt mit dem Kopf ans Gitter, und plötzlich reißt er den Schnabel auf und stößt einen Schrei aus, ein raues Kreischen, das dem Reisenden einen Schauer über den Rücken jagt. In Castro Verde mag man Vögel. Rings um die Grünanlage hängen Bauer mit Turteltauben, Goldammern, Wellensittichen und anderen, ein halbes Dutzend Arten des gefiederten Volkes, alle pärchenweise, nur der Milan ist allein.
    Der Reisende geht sich mit Freunden unterhalten, bis die für den Nachmittag und Abend geplanten Veranstaltungen beginnen. Drei Tage dauert das Fest zu Ehren des heiligen Petrus. Die Philharmonie und die Rockband haben gespielt, die Jugendlichen und jene, die es noch sein möchten,

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