Die Portugiesische Reise (German Edition)
trotz der Beschädigungen allein für sich wegen seiner Farbnuancen und unterschiedlichen Auswirkungen der Erosion sehenswert. Schon der Wind und Regen, Kälte und Sonne ausgesetzte Vorplatz fasziniert, weil er wie eine künftige Ruine aussieht. Und großartig im Innern sind die gedrechselten Säulen, auf denen die Rundbögen ruhen, auch sie aus Sandstein, und desgleichen großartig ist die Kanzel, diese allerdings aus farbigem Marmor. In der Sakristei unterhält sich der Reisende kurz mit dem Priester, einem ruhigen, kenntnisreichen Mann, der, um dem Reisenden Antwort und Auskunft zu geben, seine Schreibarbeit unterbricht, die er im Stehen an einer Kredenz verrichtet.
Der Reisende wendet sich wieder der Küste zu. Nun fährt er nach Silves, und da er Zeit hat, geht er in Gedanken noch einmal die Orte, Bilder, Gesichter, Wörter durch, die ihm begegnet sind. Er denkt an all die Albufeiras, Balaias und Quarteiras, Werbetafeln an den Straßen, Schilder und Zettel, Rezeptionen, Speisekarten und Hinweise, und das alles in so vielen Sprachen oder zumindest ständig in mehreren, dass er seine eigene kaum findet. Wenn er ein Hotel betritt, um zu fragen, ob noch Zimmer frei sind, spricht man ihn, bevor er den Mund aufgemacht hat, lächelnd auf Englisch oder Französisch an. Und nachdem er die Frage in seiner armseligen einheimischen Sprache gestellt hat, antwortet man ihm mit säuerlicher portugiesischer Miene, selbst dann, wenn man ihm bestätigt, jawohl, es sind noch Zimmer frei. Der Reisende überlegt, wie angenehm es wäre, an den diversen Orten im Ausland seine portugiesische Sprache in Restaurants und Hotels, auf Bahnhöfen und Flughäfen anzutreffen, sie fließend aus dem Mund von Stewardessen und Polizisten zu hören, von der Kellnerin, die das Frühstück bringt, oder vom Sommelier. Wunschvorstellungen, an denen die glühende Sonne schuld ist, Portugiesisch wird da draußen nicht gesprochen, mein Lieber, das ist eine Sprache von wenigen Menschen mit wenig Geld. Wenn aber die Ausländer hierherkommen, muss man ihnen die Freude bereiten, die der Reisende so gern in ihren Heimatländern erleben würde. Was gut und gerecht ist, sollte geteilt werden, in diesem Fall bekommt die größte Portion, wer am meisten bezahlt. Der Reisende hat nichts gegen Konventionen, wohl aber etwas gegen Servilität. Hier im Algarve nennt sich jeder Strand, der auf sich hält, nicht praia , sondern beach , jeder Fischer, egal ob er auf sich hält oder nicht, heißt fisherman , und wenn von Feriensiedlungen die Rede ist, dann gilt als besser, Holiday’s Village oder Village de Vacances oder auf Deutsch Ferienorte zu sagen. Es geht so weit, dass es für Modegeschäft kein Wort gibt, denn im Portugiesischen heißt es boutique und zwangsläufig fashion shop auf Englisch, weniger zwangsläufig auf Französisch modes oder direkt auf Deutsch Modegeschäft . Ein Schuhgeschäft nennt sich shoes , und damit hat es sich. Und wenn der Reisende Namen von Kneipen und buates (wie die Brasilianer das französische boîtes unbewusst aus Rache schreiben) aufzählen würde, dann wäre er, wenn er in Silves ankommt, noch immer bei den ersten Buchstaben des Alphabets. In portugiesischer Anordnung wird es so gering geschätzt, dass man zu den Zeiten, wenn die Zivilisierten in den Süden zu den Barbaren kommen, den Algarve als die Gegend bezeichnen kann, in der das Portugiesische verschwiegen wird.
Doch sollte sich der Reisende nicht weiter grämen. Dort ist Silves, der hohe Hügel, die hohe Burg, und er sollte bedenken, wenn die Mauren noch hier wären, würde er sich sehr freuen, wenn sie ihm zur Mittagszeit eine Speisekarte vorlegten, auf der »sardinhas assadas« stünde statt irgendeiner zwar sehr hübsch anzusehenden, doch selbst mit einem Wörterbuch zur Hand unübersetzbaren Arabeske. Möge der Reisende endgültig einsehen, dass für Engländer, Nordamerikaner, Deutsche, Schweden, Norweger und auch Franzosen, Spanier und gelegentlich Italiener (mit Ausnahme derer, die er in Mértola getroffen hat) Portugiesisch nichts anderes als eine einfachere Form maurischer Arabesken ist. Deshalb sage er zu allem yes, dann wird er glücklich und zufrieden sein.
Die Burg stammt von den Mauren. Sie ist eine Ruine, aber wunderschön. Und der rote Stein, der dem Reisenden schon in São Bartolomeu de Messines begegnet ist, vermittelt den Eindruck, als sei sie frisch erbaut, wie aus noch feuchter, gerade erst geformter Tonerde. Noch schöner müssen diese Steine sein,
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