Die Portugiesische Reise (German Edition)
er gleich darauf feststellt, in der Kirche auf den Bänken und warten auf den Beginn der Totenmesse. Auf einem Zettel an der Kirchentür steht in drei Sprachen: »Zur Besichtigung der Kirche nebenan melden.« In solchen Dingen ist der Reisende inzwischen Spezialist, doch braucht er dieses Mal nicht den Schlüssel holen zu gehen, jemand ist ihm zuvorgekommen, die Tür steht offen. Die betreffende Person befindet sich weiter hinten. Der Reisende fragt nicht, ob es eine Frau oder ein Mann ist, das interessiert nicht mehr. Blumensträuße liegen da, der Priester ist noch nicht gekommen, die Frauen auf den Bänken unterhalten sich leise. Was soll der Reisende tun? Er kann nicht durch den Mittelgang des Kirchenschiffs gehen, und zwischen den Bänken und den Wänden ist kein Platz. Als er schon fürchtet, er werde nicht über die Schwelle hinauskommen, spürt er (warum, kann er nicht erklären, doch er spürt es), dass niemand empört sein wird, wenn er ein wenig vortritt, ein Stückchen hierhin, ein Stückchen dahin, entschuldigen Sie, entschuldigen Sie, und, soweit es die heikle Situation erlaubt, die berühmten Azulejos von Policarpo de Oliveira Bernardes bewundert, die herrliche Kuppel, das kostbare Juwel, das diese ganze Kirche ist. Und das tut er dann auch. Ohne die Angehörigen des Verstorbenen zu schockieren oder zu kränken, kann der Reisende dank der stillschweigenden, diskreten Hilfe all derer, die beiseitetreten, um ihn durchzulassen, staunend dieses Lebenswerk bewundern. Als er hinausgeht, beginnen die Glocken zu läuten.
In Loulé ist vermutlich niemand gestorben. Die Pfarrkirche ist geschlossen, ebenso die Misericórdia und Nossa Senhora da Conceição. Sie zeigen dem Reisenden ihre Portale und Frontansichten, Erstere schön, die Zweiten gewöhnlich, und wünschen ihm gute Weiterfahrt. Doch kein Portal reicht an das des Convento da Graça mit seinen mit Pflanzenmotiven verzierten Kapitellen und seinen blumengeschmückten Archivolten heran. Ein Jammer, dass alles andere eine Ruine ist und die vorhandenen Überreste schwer beschädigt. Der Reisende spaziert ein wenig durch das Stadtzentrum, trinkt an einem noch von anderen Durstigen heimgesuchten Tresen eine Erfrischung und reist weiter.
Er fährt nach Norden, zu den Bergen hin. Er überquert das Flüsschen Albigre neben der Ortschaft Aldeia da Tôr, und nach tausend Kurven, vielleicht auch weniger, in jedem Fall sehr vielen, erreicht er Salir, hält aber nicht an, denn er macht sich keine Hoffnungen, die päpstliche Bulle von Paul III. aus dem Jahre 1550 zu sehen, die sich in der Pfarrkirche befindet. Es soll ein schön illuminiertes Dokument sein. Der Reisende hat schon andere gesehen, also findet er sich ab.
In Alte hat er großes Glück. Zehn Minuten später, und die Kirche wäre geschlossen gewesen. Aus den Öffnungszeiten wird kein Mensch schlau, sie richten sich nach Messe und Saison, aber auch nach manchen berechtigten Befürchtungen, denn zwischen den Tausenden von flinkfüßigen Touristen, die alles erkunden wollen, gibt es auch einige mit noch flinkeren Fingern. Wenn so einer mit üblen Absichten in einer Viertelstunde hier ankommt, wird er vor verschlossener Tür stehen.
Nach São Lourenço de Almansil ist die Kirche von Alte kein Lethe, der alles andere vergessen lässt. Vielleicht liegt es daran, dass in São Lourenço die barocke Architektur und die barocken Azulejos eine so makellose Einheit bilden. Vielleicht auch daran, dass der manuelinische Stil, wie es hier der Fall ist, sich kaum mit Azulejo-Ausschmückungen verträgt, auch wenn sie sich noch so sehr der Gewichtung einer letztlich gotischen Architektur anzupassen versuchen. Wie dem auch sei, wer nicht nach Alte fährt, ist ein Tor. Ihm entgehen die lieblichen musizierenden Engel aus dem 18. Jahrhundert, andere Engel mit Körben voller Blumen auf dem Kopf und die höchst ungewöhnlichen Azulejos in der Kapelle Nossa Senhora de Lourdes, diese allerdings fügen sich, da in einem anderen Stil, harmonisch in ihre architektonische Umgebung ein.
Wer glaubt, ein Stein sei ein Stein und was man mit dem einen mache, könne man auch mit allen anderen machen, der sehe sich die Kirche in São Bartolomeu de Messines an. Wäre sie aus hartem Granit gebaut oder aus gewöhnlichem Kalkstein oder aus schimmerndem Marmor, dann sähe sie ganz anders aus, auch wenn der Stein auf die gleiche Art bearbeitet wäre. Dieser rote Sandstein, zwar gefährlich spröde, aber dennoch genügend widerstandsfähig, ist
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