Die Portugiesische Reise (German Edition)
umgekommen war. Das wäre es dann auch schon fast.
Das alte Lacóbriga, der römische Vorläufer von Lagos, lag auf dem Berg Molião. Eines Tages beschloss ein gewisser Metellus, Parteigänger von Sulla, der die Regierung über Hispania Ulterior (das heißt, den portugiesischen Teil) übernommen hatte, Lacóbriga zu belagern und auszudürsten, bis es sich ergab, denn es besaß nur einen einzigen, vermutlich nicht sehr ergiebigen Brunnen. Sertorius kam Lacóbriga zu Hilfe, schickte mit seinen Leuten zweitausend Wasserschläuche, und als Metellus einen gewissen Aquinus mit sechstausend Mann zur Verstärkung der Belagerung schickte, überfiel Sertorius sie unterwegs und machte sie nieder.
Auch Dom Sebastião, König von Portugal und dem Algarve, kam nach Lagos. In der Stadtmauer gibt es ein manuelinisches Fenster, von dem aus er der Überlieferung nach, an die sich die Berichtenden halten, wenn es weder Beweise noch Dokumente gibt, an einer Feldmesse teilnahm, bevor er nach Alcácer Quibir zog, wo er sein Leben und Portugal seine Unabhängigkeit verlor. Zieht man eine Bilanz seiner Herrschaft, stellt man fest, dass wir ihm nichts zu verdanken haben, doch die Statue, die João Cutileiro von Dom Sebastião angefertigt hat und die auf der Praça Gil Eanes steht, zeigt einen vertrauensseligen, unschuldigen Knaben, der gerade nach dem Räuber-und-Gendarm-Spiel seinen Helm abgenommen hat und darauf wartet, dass die Mutter oder Amme ihm den Schweiß von der Stirn wischt und sagt: »Du dummer Junge.« Wegen dieser Statue vergibt der Reisende fast dem geistesschwachen, unfähigen und autoritären Sebastião de Avis, welches Unheil er über das Land gebracht hat, über dieses nun, wenn überhaupt möglich, noch mehr geliebte Land, nachdem der Reisende es auf Tausenden von Kilometern bereist und Tausende von Menschen erlebt hat.
Wenn von Sebastião die Rede ist, sollte man auch die Kirche São Sebastião besuchen. Man erreicht sie über ein paar steile Stufen, und bevor man hineingeht, kann man sich die Tür auf der Südseite ansehen, ein herrliches Beispiel der Renaissance-Kunst mit den üblichen, hier aber subtil gearbeiteten Darstellungen menschlicher Figuren in Erwartung und dazu all die Fauna und Flora, wie sie zu diesem Stil gehört. In der Kirche gibt es ein Bildnis der Nossa Senhora da Glória, mehr als lebensgroß, und das ist gut so, denn die Glorie sollte immer größer sein als der Mensch, der sie errungen oder geschenkt bekommen hat.
Lagos besitzt einen Sklavenmarkt, möchte aber anscheinend nicht, dass man es weiß. Es ist eine Art offene Halle auf der Praça da República, ein paar Säulen tragen das Dach, hier fanden die Versteigerungen statt, nach dem Motto, wer bietet am meisten für den gut ausgebildeten Kaffer oder die Negerin in heiratsfähigem Alter mit üppigen Brüsten. Ob sie Halsbänder trugen, davon ist nichts überliefert. Als der Reisende den Sklavenmarkt aufsucht, erkennt er ihn kaum. Er dient als Lagerraum für Baumaterial und Abstellplatz für Mopeds, als wollte man mit den Zeichen der neuen Zeiten die Makel aus früheren Zeiten beseitigen. Hätte der Reisende in Lagos etwas zu sagen, würde er dafür sorgen, dass dort kräftige Ketten angebracht würden und dazu ein Podest, auf dem das menschliche Vieh zur Schau gestellt wurde, und vielleicht auch eine Statue – da ein Stückchen weiter eine Statue von Heinrich, dem Seefahrer, steht, der vom Sklavenhandel profitierte, würde eine Statue der Ware gut dazu passen.
Um seinen Missmut zu beruhigen, geht der Reisende dann zur Kirche Santo António de Lagos. Von außen ist sie belanglos, glatter Stein, leere Nische, Rundfenster von Muscheln eingerahmt, das übliche Wappen. Doch innen, nach so vielen und letztlich langweiligen Altaraufsätzen mit vergoldeten Schnitzereien, nach so viel zu Voluten, Palmwedeln, Blättern, Trauben und Weinranken geschnitztem Holz, nach so vielen Putten, pausbäckig und rundlicher, als der Anstand gebietet, nach so vielen Chimären und Fratzenköpfen ist es nur gerecht, dass dem Reisenden all das zusammen noch einmal zwischen vier Wänden in maßloser Menge begegnet, doch hier gerade durch die Maßlosigkeit veredelt. In der Kirche Santo António de Lagos haben die Schnitzer den Verstand verloren – alles, was das Barock erfunden hat, findet sich hier. In der Ausführung nicht immer makellos, im Stil nicht immer sicher, doch selbst diese Mängel tragen zur Wirkung bei, der Blick will auf etwas verweilen, ein kritisches
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