Die Portugiesische Reise (German Edition)
wenn der Regen sie benetzt. Der Reisende bewundert die riesige Zisterne in der Mitte des Burgplatzes mit ihrer auf vier Säulen ruhenden Kuppel wie eine Moschee. Und staunt über den genialen Einfall mit den kleinen unterirdischen Kammern, in denen die Araber ihr Getreide speicherten.
Die Kathedrale von Silves ist gotisch, durch spätere Einbauten teilweise verhunzt. Doch wichtiger als die Architektur ist hier wieder der wunderbare rote Sandstein in seinen zahllosen Schattierungen von fast Gelb mit rötlichem Schimmer bis hin zur Farbe von tiefdunklem Terrakotta. Dass aus diesem Stein Säulen oder Kapitelle, eine Spitzbogenrippe oder eine schlichte Stütze geschnitten wurde, ist nebensächlich, das Auge sieht weder Form noch Funktion, nur die Farbe. Nachdem der Blick sich lange genug am ersten Eindruck gelabt hat, stellt der Reisende fest, dass die Kathedrale von Silves auch anderes zu bieten hat: die Grabmäler von João Gramaxo, vom Bischof Dom Rodrigo und von Gaston de la Ylha. Und dazu Azulejos und vergoldete Schnitzereien. Doch der Reisende legt großen Wert darauf, sich als letztes Bild den Anblick der Kuppel über dem Transept einzuprägen, zu der ein reflektierter Lichtstrahl hinaufleuchtet: Kein Stein gleicht dem Stein neben ihm, alle zusammen sind ein großartiges Gemälde.
In der Nähe der Kathedrale steht ein steinernes Kreuz, das man Kreuz von Portugal nennt. Wer es so getauft hat, ist unbekannt, mit Sicherheit ist daran nichts portugiesischer als an irgendeinem anderen, das portugiesische Hände geschaffen haben. Erwähnt sei nur, dass es eine wunderschöne manuelinische Arbeit ist, wie ein Juwel geschnitten. Auf der einen Seite zeigt es Christus am Kreuz, auf der anderen eine Pietà; die so ungleichen Figuren sind mit einer Sicherheit und künstlerischen Freiheit, wie man sie selten findet, zu einer Einheit zusammengefügt. Durch Lagoa fährt der Reisende ohne längeren Aufenthalt. Für den dortigen Wein ist es nicht die passende Tageszeit, diesen Wein, der mit dem ersten Glas, wenn der Magen nicht mit einer guten Unterlage gepolstert ist, den Trinkenden sanft einlullt, ihn jedoch, wenn er unvorsichtigerweise weitertrinkt, jählings umwirft. Zudem ist bei diesem Klima höchstens ein Glas kaltes Wasser angebracht. Nüchtern geht der Reisende also das herrliche Bildnis der Nossa Senhora da Luz in der Pfarrkirche ansehen, eine Machado de Castro zugeschriebene Arbeit, was hoffentlich stimmt, denn dann wissen wir, wem wir für dieses Meisterwerk des portugiesischen Barock zu danken haben.
Der Reisende stellt fest, dass auf den Straßen des Algarve alle es eilig haben. Die Autos rasen wie ein Wirbelsturm, die Insassen lassen sich mitreißen. Die Strecken zwischen den Städten gelten nicht als Landschaft, sondern als unvermeidbare Ärgernisse. Ideal wäre, wenn zwischen den Städten nur gerade Platz für die Ortsschilder wäre, so könnte man Zeit sparen. Und wenn es zwischen Hotel, Pension oder gemietetem Ferienhaus und Strand, Restaurant oder Nachtclub kurze, direkte unterirdische Verbindungen gäbe, dann würde der wunderbare Traum wahr, überall und nirgends zu sein. Touristen, die in den Algarve kommen, neigen eindeutig zum Herdentrieb.
Der Reisende ist daran auch nicht ganz unschuldig, doch würde man ihn zur Rechenschaft ziehen, könnte er antworten, dass, nachdem er in Lagoa war, etwas in Estômbar auf ihn wartet, und wenn er sich hier und dort nicht so lange aufhält, wie er es eigentlich möchte, liegt das daran, dass er hier nicht seine holidays oder vacances verbringt, sondern auf der Suche ist. Und suchen macht, wie man weiß, immer ungeduldig. Belohnt wird man, wenn man findet, was man gesucht hat. So geschah es in Estômbar.
Schon der Name wäre Anlass zu Überlegungen und Recherchen. Überhaupt ist der Algarve voll von seltsamen Ortsnamen, die man lediglich aus Gewohnheit oder weil von oben so verfügt als portugiesisch bezeichnet. Das gilt für Budens und Odiáxere ebenso wie für Bensafrim, durch das der Reisende fahren muss, für den Fluss Odelouca, für Porches, Boliqueime und Paderne, für Nexe und Odeleite, Quelfes und Dogueno, Laborato und Lotão, Giões und Clarines, Gilvrazino und Benafim. Doch diese andere Reise (die Suche nach dem Ursprung der Namen, woher sie kommen und wie sie sich verändert haben, bis die alte Erinnerung zur heutigen Notwendigkeit wurde), die wird der Reisende nicht unternehmen, dazu bedürfte es spezieller Kenntnisse und Erfahrung, nicht nur hinsehen und
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