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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Platz in solch einem illustren Wettbewerb ist so ehrenhaft wie der erste.
    Die Kirche do Carmo findet der Reisende verschlossen vor, was ihn aber nicht sehr betrübt. Die vielen Treppenstufen hinaufzugehen wäre ihm, trotz der Hilfe durch den Wind, als eine unmenschliche Anstrengung vorgekommen. Deshalb geht er weiter zu der nahegelegenen Kirche São Pedro und bewundert die polychromen Azulejos aus dem 18. Jahrhundert, dann die blauweißen in der Capela das Almas und vor allem, trotz der Schönheit der heiligen Anna, das Basrelief mit der Darstellung des Abendmahls , ein zutiefst menschliches Werk, Freunde haben sich um einen Tisch versammelt und teilen Lammbraten, Brot und Wein miteinander. Christus hat zwar seinen Heiligenschein, der ihn ein wenig separiert, Schultern stoßen an Schultern, und selbst Judas, der im Vordergrund sitzt, damit er der unversöhnlichen Empörung der Gläubigen nicht entgeht, würde, wenn man in diesem Augenblick ein freundliches Wort an ihn richtete, die dreißig Silberlinge zu Boden fallen lassen oder zur Beteiligung an den Kosten für das gemeinsame Mahl auf den Tisch legen.
    Von São Pedro geht der Reisende zur Kathedrale. Dieser Teil von Faro innerhalb der alten Stadtmauern ist Vila-a-Dentro, die Altstadt. Ossónoba verfiel, wurde ausgelöscht, und an seiner Stelle entstand auf den Überresten allmählich eine neue Ortschaft. Dann, sehr viel später, kamen die Mauren, errichteten Stadtmauern, nannten die Stadt Hárune, und von Hárune zu Faro ist der linguistische Schritt kleiner, als man vermutet. Als der Reisende das Stadttor Porta da Vila passiert, wird es wieder heiß. Der Wind ist draußen geblieben, es ist also eine schüchterne Brise, die sich nicht in die engen, stillen Gassen hineinwagt, und nicht einmal der Platz vor der Kathedrale regt den Wind zum Wirbeln an. Vielleicht nutzt er den großen Platz Largo de São Francisco, der einstmals überflutet war, und die Mündung der Lagune Ria Formosa. Wenn der Reisende dazu Gelegenheit hat, wird er nachschauen, denn zur Kirche São Francisco zu gehen lohnt nicht, ein anderer Reisender kommt enttäuscht von dort zurück und berichtet, dass sie geschlossen ist.
    Die Kathedrale ist alt, die ältesten Steine zählen sieben Jahrhunderte. Doch dann hat sie so viele Abenteuer und Widrigkeiten erlebt (Plünderungen, Erdbeben, wechselnde Moden und Machtverhältnisse), dass sie zwischen Romanik-Gotik und Renaissance, zwischen Renaissance und Barock weit mehr eingebüßt als dazugewonnen hat. Von der ersten Fassade erhalten ist der großartige Portikus-Turm (der allein schon, falls die Kirche geschlossen ist, den Gang hierher lohnt) und im Innern die wunderschönen, die Vierung abschließenden Kapellen. Hinzu kommen Renaissance-Altarbilder, vergoldete Schnitzereien, Marmor-Intarsien, eine Orgel aus dem 18. Jahrhundert in prächtigen Farben. Ihren Klang kennt der Reisende nicht, doch wenn sie dem Ohr den gleichen Genuss bereitet wie dem Auge, dann ist die Kathedrale von Faro wahrhaft generös.
    Das Museum liegt nicht weit davon an der Praça Afonso III. Es funktioniert nach dem Prinzip »Wer zuerst kommt«, das heißt, der Führer geleitet eine Gruppe durch das Museum, lässt sich dabei so lange Zeit, wie es nötig ist, und wer später kommt, muss warten, bis die Führung beendet ist. Anders geht es nicht, solche Lösungen diktiert die Armut: Wenn es nicht genug Teller gibt, damit die ganze Familie gleichzeitig essen kann, teilt man sich einen Napf; wenn es keine Aufseher für alle Säle gibt, werden die Besucher in Gruppen zusammengefasst.
    Während der Reisende sich solchen Überlegungen hingibt und geduldig wartet oder vielmehr im Gegenteil seine Ungeduld durch Auf-und-ab-Gehen in dem geräumigen Innenhof demonstriert, von dem man in den Kreuzgang des ehemaligen Klosters Convento da Assunção gelangt, fällt sein Blick auf einen älteren Mann, der an einem Schreibtisch sitzt, gleich einem der unzähligen Bürodiener dieses Landes, die schon immer ihre Ellbogen aufgestützt und in Untätigkeit verharrt haben. Der Mann hat ein freundliches Gesicht wie einer, der genug über das Leben weiß, um es ernst zu nehmen und darüber zu lachen, wie auch über sich selbst. Der Mann lächelt ein wenig, der Reisende hält inne, um zu zeigen, dass er das Lächeln wahrgenommen hat, und der Dialog beginnt: »Hier muss man Geduld haben. Die Leute, die da drin sind, kommen sicher bald heraus.« Der Reisende antwortet: »Geduld habe ich. Aber wenn man auf

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