Die Portugiesische Reise (German Edition)
der hinterlistigsten: Der Reisende verspricht, diese Warnung nicht zu vergessen.
In Matosinhos gibt es die Kirche Senhor Bom Jesus und die Quinta do Viso zu besichtigen. Aber der Reisende, der nicht überall hinfahren kann, entscheidet sich für Nasoni, für seine vollkommene Architektur, die ganz in der Horizontalen angelegt ist. Nasoni war Italiener durch und durch, aber er wusste um die Verdienste des lusitanischen Granits, er verstand es, ihm Raum zu geben, das Dunkle des Steines mit dem Kalk des Putzes abzuwechseln. Diese Lektion haben die modernen Verfälscher, die Fabrikanten des Albtraums vergessen. Der Reisende weiß sehr wohl, dass Häuser aus Granit heutzutage ein unvorstellbares Vermögen kosten würden, aber er wettet Hab und Gut darauf, dass es möglich wäre, ökonomisch tragbare Lösungen zu finden, die sich mit einer architektonischen Tradition vereinbaren ließen, die stattdessen in letzter Zeit systematisch abgeschnitten wurde. Schrecklich.
Draußen in dem etwas verwüsteten Garten stehen Ruinen von Kapellen und Tonfiguren, die den Kreuzweg auf höchst konventionelle Art darstellen. Was der Reisende nicht begreifen will, ist die Unfähigkeit des Menschen, das Gute zu lernen, und die Leichtigkeit, mit der er dem Schlechten Gestalt gibt. In der Kirche gibt es einige sehenswerte Skulpturen, einen Petrus aus Ança-Stein zum Beispiel: Dieses gute Beispiel vor Augen, fragt man sich, welche Modelle sich diese Töpfer, die jedwedes Fingerspitzengefühl vermissen lassen, zum Vorbild genommen haben. Auf diese Frage gibt es keine Antwort, aber daran hat sich der Reisende inzwischen gewöhnt.
Von Matosinhos bis Santa Cruz do Bispo ist es ein Katzensprung. Der Reisende ist auf der Suche nach dem Monte São Brás, wo eine berühmte Skulptur steht, ein sagenumwobener Held, bewaffnet mit einer schweren Keule, dem zu Füßen, zahm und folgsam, ein wilder Löwe liegt. Ein Bild wie dieses verlangt geradezu nach Gebirgen, Einöde und Mysterium. Aber romantische Ideen dieser Art sollte sich der Reisende lieber verkneifen. São Brás ist letztlich nur eine Art Alm, die wie künstlich angelegt aussieht, und der legendäre Riese entpuppt sich als eine armselige Figur mit verstümmelten Beinen und einem Hündchen, das aussieht, als möchte es, dass man ihm den Bauch krault. Statt der rauen, felsigen Landschaft, einer Art Laune der Natur, einem Ort weitab von der Zivilisation, bietet sich dem Reisenden das Bild eines sommerlichen Picknickparks mit Plastiktüten und anderem Müll. Man weiß ja, wie das ist: Der Reisende verreist und will, dass alles nur für ihn da ist, und sobald jemand vor ihm sich daran erfreut hat, ist er beleidigt. Dieser bärtige Mann dort, der wohl São Brás ist, wie der Name des Berges besagt, und nicht Herkules, wie es gewisse ambitionierte Gelehrte nahelegen wollen, empfängt viele Besucher, ein Schirmherr der Fröhlichkeit ist er, und der Löwe zeigt auch nicht die Zähne, er schaut seinen Herrn von der Seite an wie ein Hühnerhund, der auf ein Zeichen des Jägers wartet. Auf Kopf und Schultern São Brás’ befinden sich Spuren von vergossenem Wein. Die Pilger sind keine Egoisten: Sie geben dem Heiligen vom Besten, was sie haben, etwas, das das Blut erwärmt und die Menschen zum Lachen bringt. Nachdem er all das festgestellt hat, erkennt der Reisende seinen eigenen Egoismus: Er wollte eine Statue nur für sich oder jedenfalls nur für einige Auserwählte, stattdessen findet er einen Volksheiligen, der billigen Wein trinkt, und einen friedfertigen Löwen, der auf seinem starken Rücken jedes Mädchen sitzen lässt, das sich vom Tanzen ausruhen will. Wo fände er eine harmonischere Welt als diese? Demütig überlässt der Reisende den Mann mit der Keule seinem Schicksal und fährt weiter nach Azurara, einem Ort, der einem Chronisten, der wahrscheinlich gar nicht hier geboren wurde, seinen Namen gab, so wie es auch der Fall bei jenem Damião aus Góis ist, der eigentlich in Alenquer geboren wurde. Die Pfarrkirche von Azurara liegt direkt an der Straße, es gibt also keinen Grund, nicht einen Blick hineinzuwerfen, es sei denn, der Küster ist nicht aufzufinden und hat auch niemandem den Schlüssel hinterlassen. Der Reisende ist verzweifelt, so hat er sich das nicht vorgestellt, aber diese verschlossene Kirche ist eine Festung, hier ist kein Hineinkommen. Allerdings macht sie von außen einen recht sehenswerten Eindruck, und so verspricht er wiederzukommen. Vila do Conde ist nicht weit und
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