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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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gewaltigen kulturellen Verbrechen, das hier begangen und zugelassen wird. Aber jetzt, die karge, reine Schönheit der Kirche von Antas vor den schmerzerfüllten Augen und gleichzeitig diese Ansammlung kretinhafter Architektur, jetzt kann der Reisende nicht weiter so tun, als sähe er nichts, er kann nicht weiter nur von Wohlgefallen und Lobreden sprechen, sondern muss seinen Protest gegen die für den allgemeinen Verfall Verantwortlichen zum Ausdruck bringen.
    Wo ist São Miguel de Seide? Ein paar großzügige Schilder weisen in die Richtung, aber dann, einige Straßen weiter, kommt der Name kaum noch vor, die Pfeile verschwinden einfach, und es geschieht etwas Unvorstellbares: Der Reisende fährt an dem Haus von Camilo Castelo Branco vorbei, ohne es zu sehen. Drei Kilometer weiter, an einer rätselhaften Kreuzung, fragt er einen Mann nach dem Weg, der vielleicht aus Gründen der Nächstenliebe dort steht, nämlich um verirrten Reisenden weiterzuhelfen, und der antwortet: »Da müssen Sie ein Stück zurückfahren. Bis zu dem Platz, wo die Kirche und der Friedhof sind.« Verschämt kehrt der Reisende um und landet schließlich bei dem Haus. Es ist Mittagszeit, der Aufseher macht Pause, und der Reisende muss warten. Während er wartet, läuft er ein wenig umher und wirft einen Blick durch das Tor, hier hat Camilo Castelo Branco gelebt, und hier ist er gestorben. Der Reisende weiß, dass das richtige Haus 1915 abgebrannt ist, dass dieses hier so wenig original ist wie die Zinnen der Burg von Guimarães, aber er hofft, dass es drinnen etwas gibt, das ihn genauso berührt wie der ursprüngliche Boden, den die Mauern umgeben. Der Reisende ist ein Mann, der sich gern an die Hoffnung klammert.
    Da kommt der Aufseher. »Guten Tag«, sagt der eine. »Guten Tag«, der andere. »Ich würde gern das Haus besichtigen.« »Aber gern.« Das Tor geht auf, und der Reisende tritt ein. Hier ist Camilo gewesen. Die Bäume waren andere, die Pflanzen auch und wahrscheinlich auch die Pflastersteine. Da ist die Akazie von Jorge neben der Treppe, und die ist echt. Der Reisende geht hinauf, der Aufseher erzählt Dinge, die ihm bereits bekannt sind, und jetzt kommen sie in den ersten Stock. Der Reisende merkt, dass er keine Wunder zu erwarten hat. Die Atmosphäre ist ohne jeden Glanz, die Möbel und anderen Dinge, so echt sie auch sein mögen, tragen die Spuren anderer Orte, an denen sie aufbewahrt wurden, und fühlen sich jetzt fremd hier, sie erkennen diese Wände nicht wieder und die sie auch nicht. Als das Haus abbrannte, waren hier nur ein Bild von Camilo und das Sofa, auf dem er starb. Beide wurden gerettet. So kann also der Reisende das Sofa betrachten und auf ihm Camilo Castelo Branco sitzen sehen. Und sicher ist, dass das Inventar, die Gegenstände, die Autogramme, die Bilder an der Wand, all das, entweder tatsächlich oder zumindest vermutlich Camilo gehört haben. Woher also die bittere Melancholie, die den Reisenden überkommt? Ist es das bedrückende Ambiente, der unsichtbare Muff, der alles zu überdecken scheint? Ist es das tragische Leben, das in diesen Räumen gelebt wurde? Die Verzweiflung einer gescheiterten Existenz, wenn auch mit einem ruhmreichen Werk gesegnet. Was auch immer. In diesem Bett schlief Camilo, hier hat er geschrieben. Aber wo ist Camilo? Die Höhle von Teixeira de Pascoaes in São João de Gatão ist dagegen fast erschreckend, so etwas hätte auch Camilo verdient. São Miguel de Seide ist eine bürgerliche Wohnung aus dem 19. Jahrhundert in der Rua de Santa Catarina in Porto oder in der Rua dos Fanqueiros in Lissabon. Seide ist viel eher das Haus von Ana Plácido als das von Camilo. Seide bewegt nicht, es macht traurig. Vielleicht meint der Reisende deswegen, es sei Zeit, ans Meer zu fahren.

Dornröschenschloss
    Der Reisende wirft einen Blick auf die Karte und beschließt: »Hier fahre ich los.« Hier ist Matosinhos. Der arme António Nobre, hätte er sich in diese Gegend von hier bis Leça verirrt. Vor Kummer wäre er gestorben, bevor ihn die Tuberkulose dahinraffte, hätte er diese Fabrikschornsteine gesehen und den Industrielärm gehört, und selbst der Reisende, der sich als einen Mann von heute bezeichnen würde, ist verstört und beunruhigt angesichts dieser geschäftigen Vorstädte. Wir tragen große Schuld in uns, wenn wir meinen, die Wirklichkeit in Büchern nachlesen zu können, die eine ganz andere Wirklichkeit beschreiben. Es gibt viele verschiedene Formen des Sebastianismus , und diese ist eine

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