Die Portugiesische Reise (German Edition)
rechten Arm, eine vortreffliche Gelegenheit, João Antero zu fotografieren. In der Capela dos Fundadores befinden sich die beiden Grabmäler von Dom Afonso Sanches, einem unehelichen Sohn des Königs Dom Dinis, und seiner Frau Dona Teresa Martins. Es sind zwei Juwele aus Stein.
Der Reisende kann nicht länger bleiben. Wenn er sich zu sehr gefangen nehmen lässt, kommt er hier niemals mehr raus, denn diese Kirche gehört zu dem Schönsten, was er je gesehen hat. Adieu, Vila do Conde.
Wo Rio Mau, der »Schlechte Fluss«, seinen Namen herhat, weiß der Reisende nicht. In der Umgebung des Ortes gibt es keinen einzigen Wasserlauf, nur ein kleines Bächlein einen Kilometer entfernt, so unbedeutend, dass man ihn beim besten Willen nicht als schlecht bezeichnen kann. Und der Rio Este, ein Seitenarm des Ave, der in der Nähe verläuft, ist nach der Himmelsrichtung benannt, ein weiteres Rätsel, das die Neugier des Reisenden anregt. Aber eigentlich ist er nicht auf der Suche nach einem Fluss, sondern nach einer berühmten Kirche, der des heiligen Christophorus, aus dem 12. Jahrhundert. Es wird behauptet, sie entspräche der Romanik der Region, was gleichzeitig richtig und belanglos ist. Was zählt, auch in diesem Fall, sind die plastische Wirkung des Stils, der allein durch die Dichte des Materials erreichte Ausdruck, die durch die Anordnung der Steinblöcke erzielte Aussage, die vielfältige Lesart. Und wenn São Cristovão de Rio Mau auch tatsächlich eine sehr schlichte Kirche ist, dann ist diese Schlichtheit doch ein ganz direkter Weg zu einer ästhetischen Sensibilität, der eine atemberaubende Kraft innewohnt, die den Reisenden plötzlich beherrscht und emporhebt. Natürlich erkennt er die vielen Restaurierungen, die hier vorgenommen wurden, aber anders als sonst scheinen sie ihm nicht von Nachteil. Im Gegenteil: Statt einer Ruine, die die Zeitgenossen des ursprünglichen Baus nicht wiedererkennen würden, steht hier ein wiederhergestelltes Werk, das das Gestern ins Heute überträgt. In der Kirche fühlt sich der Reisende wie im Innern einer Zeitmaschine. Und nicht nur durch die Zeit, auch durch den Raum reist er. Eines der Kapitelle, das Fachleuten zufolge Szenen aus dem Rolandslied darstellt, befördert den Reisenden blitzartig nach Venedig. Im Dogenpalast, an einer Ecke zum Markusplatz, steht eine Skulptur aus Porphyr, Die Tetrarchen genannt. Es sind vier Krieger in brüderlicher Haltung, vielleicht Militärkameraden, aber mit einer subtilen Tendenz zum Menschlichen. Diese Tetrarchen von Rio Mau sind sehr viel mehr Krieger als Menschen. Es sind, im wahrsten Sinne des Wortes, Männer unter Waffen. Die Ähnlichkeit, oder, wenn man so will, das Echo, das sie geben, ist trotzdem unwiderstehlich. Der Reisende ist erstaunt, er wettet, dass daran noch niemand gedacht hat, und ist sehr zufrieden mit sich.
Nur schweren Herzens kann er sich von Rio Mau trennen. Wenige Kirchen sind so schlicht und nur ganz wenige schlichter als diese, aber er empfindet eine besondere Faszination für dieses Genie, das das Tympanon auf dem Portal geschaffen hat, die Figur mit dem Hirtenstab, die angeblich den heiligen Augustinus darstellen soll, sowie die beiden anderen kleineren und den Vogel mit der Sonne über dem Kopf, und das, was aussieht wie ein gewickeltes Kind, das den Mond in den erhobenen Händen hält. Im Tausch gegen diese Skulptur gäbe der Reisende die Venus von Milo, den Apoll von Belvedere und alle Metopen des Parthenons. Wie inzwischen klar sein dürfte, ist der Reisende ein Freund der Schlichtheit.
Der Tag weicht der Dämmerung. Der Reisende macht sich auf den Weg, und wenn es nicht so gefährlich wäre, würde er die Augen geschlossen lassen, um den wunderbaren Anblick länger im Kopf zu behalten. Von hier aus fährt er nach Junqueira, wo es ein Kloster namens São Simão geben soll, aber er macht sich keine Hoffnungen, um diese Zeit ist es bestimmt geschlossen, und es wäre auch nicht fair, jetzt noch jemanden damit zu belästigen, ihm die Tür aufzumachen. Der Reisende hat jedoch seine Marotten, und eine davon ist, alles, was ihm wichtig ist, mit eigenen Augen gesehen haben zu müssen, sei es auch nur flüchtig und im letzten Licht. Er ist in Trás-os-Montes schon einmal durch ein Junqueira gefahren, jetzt will er das im Minho kennenlernen. São Simão ist lediglich eine barocke Fassade mit zwei banalen Glockentürmen, nichts Besonderes, kein Vergleich zu Rio Mau, das ihm nicht aus dem Kopf geht. Und die Tür ist wie
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