Die Portugiesische Reise (German Edition)
zusammenfegt, um daraus Dünger zu machen, und, das ist das Schlimmste, das rätselhafte Klosterfräulein den Bediensteten Befehle erteilt und mit der Unglücklichen schimpft, die die Teekanne zerbrochen hat. Aber der Reisende weiß noch mehr: zum Beispiel, wie er in seinem Gedächtnis für immer ein unzerstörbares Bild bewahren kann, das des Dornröschenschlosses.
Die campos-masseiras in Aguçadoura machen Landwirtschaft auf unfruchtbarem Sandboden möglich. Erde, Humus, fruchtbare Pflanzenreste und der aus dem Meer gefischte Seetang werden herbeigetragen und in windgeschützten Beeten angelegt, als wollte man in der Wüste einen Gemüsegarten pflanzen. Die Verantwortlichen dafür sind im Grunde aus demselben Holz geschnitzt wie die Terrassenbauer und Schiefermetzen vom Douro, es ist dieselbe Hartnäckigkeit, dieselbe Notwendigkeit, zu essen, die Kinder zu ernähren, die eigene Art zu erhalten. Der Reisende bekommt eine andere Sicht auf die Arbeit der Menschen, er denkt daran, was ihm an A-Vero-Mar missfallen hat, und fragt sich, wie man Seetang an der frischen Luft trocknen lassen soll, ohne dass der Geruch die Fliegen anzieht. Und mit diesen Gedanken im Kopf schließt er Frieden mit allem und macht sich auf den Weg nach Rates.
Wenn der Reisende schon so viel über São Cristovão in Rio Mau zu berichten wusste, was soll er dann erst über Rates erzählen? Die Kirche ist eine etwas ältere Schwester der von Rio Mau, beide stammen aus dem 12. Jahrhundert, aber die in Rates ist prächtiger und reicher verziert. Das Portal mit fünf Bögen, von denen die beiden inneren skulptiert sind, zeigt im Tympanon einen Christus in der Mandorla, also mit ovalem Heiligenschein, zwischen zwei Heiligen, die wiederum beide auf zwei knienden Figuren stehen, was dem Reisenden wenig christlich erscheint, es sei denn, sie stellten das Dämonische dar, aber selbst dann. Der Reisende will die Kirche nicht näher beschreiben. Er würde sonst sagen, dass die Kapitelle des Portikus jedes für sich ein Meisterwerk sind, dass die gesamte Fassade mit ihren Stützpfeilern eine Wohltat für Augen und Geist ist. Er würde sagen, dass wir im Innern der hohen Kirche, deren Tiefe im Halbdunkel versinkt, zwangsläufig daran glauben, dass der Mensch die Schönheit zum Leben braucht. Er würde sagen, dass der Entwurf dieser Bögen, von denen keiner dem anderen gleicht, der eine gebrochen, der andere ganz durchgezogen, ein weiterer ein Spitzbogen, beweist, dass aus Verschiedenheit Homogenität werden kann. Zu guter Letzt würde er sagen, dass die Kirche von Rates eine moderne Form von Pilgerfahrten wert ist, für diejenigen nämlich, die auf der Suche nach Vollkommenheit sind. Vielleicht wird hier der Glauben gefestigt. Dass das Vertrauen in die Beständigkeit der Schönheit gefestigt wird, daran hat der Reisende keinen Zweifel.
Von Rates fährt der Reisende nach Apúlia, wo ihn keine als Römer verkleideten Tangfischer erwarten, wo aber das Meer an diesem milden Sonnentag zu kalt ist, um sich die Haut mit Wasser zu benetzen, es reicht, sich die Augen zu waschen. Mühelos gelangt man nach Fão und Ofir, und sicherlich gäbe es gute Gründe, hier zu verweilen, aber der Reisende hat mittelalterliche Gegenden bereist, und die touristische Unruhe hier macht ihm zu schaffen, die Immobilienplakate, die Schilder der Snack-Bars (eine Bezeichnung, die die portugiesische Tradition der schmackhaften Vinhos e Petiscos , Weine und Happen, verdrängt hat, wo man anständigerweise immer vorher wusste, wie viel etwas kostet), und als er durch Esposende fährt, kommt er sich verloren vor auf den breiten Avenuen entlang der Küste, er überlegt, ob es das wert ist, und hat wieder Sehnsucht, diesmal nach Bergen und überschaubaren Wassermengen. Er fährt zurück über den Rio Cávado und folgt dem südlichen Ufer durch Vila Seca und Gilmonde. Auf seinem Weg liegt die berühmte Stadt Barcelos, aber der Reisende beschließt, sie sich ein anderes Mal anzusehen, offensichtlich ist in ihm die Neigung zum einsamen Wolf erwacht. Wenn jemand aber der Obhut der Welt entflieht, dann ist es die Welt, die ihn verfolgt. In Abade de Neiva besucht der Reisende die Kirche mit freistehendem Turm, die zusammen von einer so lebendigen mittelalterlichen Atmosphäre sind, wie er es bisher nicht erlebt hat, und als er zurück zum Wagen geht, hat er einen Platten. Keine ungewöhnliche Panne für jemanden, der lange unterwegs ist, vor allem auf so schlechten Straßen. Er nimmt den Reifen ab,
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