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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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für die, die nichts von seiner Existenz wissen, auf der einen Seite ein erstaunlicher toter Christus, auf der anderen das letzte Abendmahl. Dieses Tafelbild ist das Beste an der ganzen Kirche. Sie gehen in den Kirchhof, und der Pater erzählt die Geschichte von der Glocke, die von der Pfarrkirche kam und die die Bewohner der Altstadt eines Nachts stehlen wollten. Sie brachten ein paar Ketten mit und hatten sie schon fast unten, als man den Überfall bemerkte. Die Räuber flüchteten in die Berge, aber die Gerechtigkeit siegt immer, wenn auch manchmal sehr spät. »Die Glocke wird dorthin zurückkehren, von wo sie gekommen ist«, sagt der Pater, und damit verabschiedet er sich.
    Der Reisende ist traurig. Diese wundersamen Geschichten von Stummen, die plötzlich sprechen, und Kerzen, so groß wie Menschen, überschatten die Erinnerung an den Nachmittag. Umso schlimmer, als er am Berghang eine mittelprächtige Treppe zu einem scheußlichen Brunnen entdeckt sowie andere noch mittelprächtigere und scheußlichere Dinge, als da wären eine Gruppe von Figuren aus weißem Stein, die João den Stummen, dem, unglücklicher Tor, der er war, mehr Respekt zugestanden hätte, und ein paar Schafe darstellen, die aussehen wie geschorene Katzen. Ach, Balugães, das hast du nicht verdient.

Noch eine Casa Grande
    Es ist schon heller Morgen, aber der Reisende ist noch nicht aufgestanden. Er zögert den Moment, in dem er die Fensterläden öffnet, absichtlich hinaus. Er freut sich darauf, seitdem er, als es bereits stockdunkel war, im Hotel angekommen ist. Vielleicht befürchtet er auch eine Enttäuschung. Durch die Spalten scheint gebrochenes Licht, und das Herz des Reisenden zieht sich zusammen: »Und wenn Nebel ist?« Er springt aus dem Bett, erzürnt über den bloßen Gedanken daran, welch eine Beleidigung es wäre, die Landschaft von Santa Luzia von Nebel bedeckt zu sehen, und mit einem Ruck öffnet er das erste Fenster, das aufs Meer hinausgeht, fühlt die kalte Morgenluft im Gesicht und am Körper und ist überwältigt vom Funkeln des Wassers der diesigen Küste, dort, wo der Fluss auf den Ozean trifft, die Schaumkrone der Wellen, die von weit her kommen und sich am Strand brechen. Das andere Fenster steht im rechten Winkel zu diesem, es ist ein Eckzimmer, welch ein Glück, es gibt noch andere Landschaften zu bestaunen. Und diese ließe sich weder mit Worten beschreiben noch mit Gemälden, noch mit Musik. Über dem weiten Tal des Rio Lima schwebt ein leuchtender Nebel, in dem die Sonne strahlt wie ein Heiligenschein. Das strömende Wasser des Flusses umschließt die vielen Inseln, und vom rechten Ufer, das von oben besser zu erkennen ist, dringen flüssige Arme in das Land ein und spiegeln den Himmel wider, und grüne Felder werden von hohen roten Bäumen und dunklen Zäunen durchschnitten. Von den Schornsteinen der Häuser steigt der morgendliche Rauch auf, und weit hinten qualmen glorreich die Schornsteine der Fabriken und tragen ausnahmsweise zum wunderschönen Gesamtbild dieser phantastischen Stunde bei. Der Reisende hat großes Glück: zwei Fenster zur Welt hinaus und dieser Augenblick einzigartigen Lichts, die Frische der Luft, die seinen Körper umgibt, er ist genau zum richtigen Zeitpunkt nach Viana do Castelo gekommen, gut, dass es Nacht war und er zum Übernachten den Berg nach Santa Luzia hochgefahren ist.
    Es ist Zeit, in die Stadt zu gehen. Der Reisende wirft einen Blick auf seine Unterlagen und die wichtigsten Empfehlungen. Da ist der Platz der Republik mit seinen drei Bauwerken aus dem 16. Jahrhundert: das ehemalige Rathaus, das Armenhaus und der von João Lopes dem Älteren gestaltete und errichtete Brunnen. Das Rathaus ist ein festungsartiger Bau mit einer Fassade aus Stein, in der sich etwas widerwillig Bögen und Fenster öffnen, trotz der Großzügigkeit der Anlage; das Armenhaus hingegen, das von João Lopes dem Jüngeren erdacht wurde, wirkt mit seinen großen Veranden, die der Genesung der Kranken dienten, wie aus der Renaissance, was in unserem Land eher ungewöhnlich ist. Die zwölf Karyatiden, in jedem Stockwerk sechs, die die Loggien stützen, sind robust und gleichzeitig elegant. Der erschöpfte Reisende freut sich über die Bank in dem ebenerdigen Bogengang, wo man das Treiben in der Stadt beobachten und ein Schwätzchen mit den Nachbarn halten kann. Der Brunnen ist harmonisch angelegt und besteht aus den Originalsteinen seiner Epoche. Wäre der Platz im Ganzen so gelungen gestaltet wie in diesem

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