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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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ist es die Bedeutung hinter den Namen der Dinge, aber das heißt nicht, dass er jede Geschichte glauben muss, die man ihm auftischt, so wie die von Maiorca, dessen Name angeblich auf eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Bewohnern jenes Ortes (der damals noch keinen Namen hatte, oder er ist in Vergessenheit geraten) und denen aus Montemor-o-Velho, das ein Stück weiter entfernt liegt, zurückgeht. Es heißt, die Bewohner von Montemor hätten, um ihre Nachbarn zu ärgern und sie darauf hinzuweisen, dass ihr Ort höher gelegen sei, wiederholt gerufen: »Monte mor. Monte mor. Unser Berg ist am höchsten.« Daraufhin hätten die aus Maiorca, denen nichts Besseres einfiel, geantwortet: »Maior cá. Maior cá. Unserer ist höher.« Den Rest kann man sich leicht denken: Man entferne den Akzent, setze beide Wörter zusammen und schon hat Maiorca seinen Namen weg, bis ans Ende seiner Tage. Der Reisende will das nicht glauben, recht hat er.
    Aber er will keine alten Querelen aufwärmen. Bevor er nach Montemor-o-Velho fährt, überquert er den Mondego, um nicht mehr an den angeblichen Streit zu denken. Er versucht, auf andere Gedanken zu kommen, d. h., eigentlich will er nur nach Ereira, wo Afonso Duarte geboren wurde und lebte, einer der größten portugiesischen Dichter dieses Jahrhunderts, der heute unerklärlicherweise in Vergessenheit geraten ist. Ereira liegt so nah am Wasser, dass dieses, wenn der Mondego und der Rio Arunca, der ebenfalls dort verläuft, über die Ufer treten, direkt in die Häuser läuft wie ein alter Bekannter, der zu Besuch kommt. An so einem Tag muss es gewesen sein, dass Afonso Duarte schrieb: Es gibt nichts als Meer in meinem Land / Keinen Boden, der Brot bringt: / Der Hunger bringt mich um / Die süße Illusion / Von Früchten wie die Sonne . Der Reisende ist selbst in einer sumpfigen Gegend aufgewachsen, er weiß, was eine Überschwemmung ist, aber wenn er Afonso Duarte liest, dann bekommt in seinen vier Zeilen das Wasser ein anderes Gewicht: Schlecht ergeht es dem lyrischen Dichter / Schlecht ergeht es mir, wenn ich sage, / Dass, wo immer es Arm und Reich gibt / Es Probleme im Land gibt . Auf Wiedersehen, Ereira. Auf ewig, Afonso Duarte.
    Der Reisende hat keinen besonderen Grund, nach Soure zu fahren, aber man kommt auf diesem Wege gut nach Conímbriga. Der heutige Tag ist ausschließlich illustren Ruinen gewidmet, was auf die von den Römern hinterlassenen in der Regel zutrifft. Aus populärwissenschaftlicher Sicht gibt es drei große historische Referenzen: die Epoche der Afonsos, die der Mauren und die der Römer. Die erste beschreibt paradoxerweise, was am ältesten oder vielleicht auch nur nicht genau datiert, fast mythisch ist; die zweite, der es an relevantem Beweismaterial mangelt, ist fruchtbarer Nährboden für Legenden; die dritte, die keinerlei Legenden hervorgebracht hat, zeichnet sich durch solide Brücken und gepflasterte Straßen aus und vermittelt dabei den Respekt vor dem Gesetz mit dem Klang marschierender Legionäre. Die Römer finden nicht viel Sympathie bei jenen, denen sie ihr Latein vererbt haben.
    Tatsächlich fühlt sich der Reisende inmitten all der Pracht, die hier leicht auszumachen ist, ein wenig fremd, als betrachtete und berührte er Zeugen einer ihm vollkommen unbekannten Zivilisation und Kultur. Möglicherweise entsteht dieser Eindruck dadurch, dass er sich bildlich vorstellt, die Römer wären noch hier stationiert, mit ihrem Forum, den Wasserspielen und wie sie in Toga und Tunika umherlaufen und sich zum Bade verabreden, während ringsum in den Hügeln, die heute Olivenhaine sind, ein unzivilisiertes, unterjochtes Völkchen lebt, das Hunger leidet und bitteren Neid hegt. So gesehen wäre Conímbriga eine Insel fortschrittlicher Zivilisation, umgeben von einem Meer Ertrinkender. Es mag eine Beleidigung denjenigen gegenüber sein, die ebendieser Zivilisation entstammen, aber das ist die einzige Erklärung für das Unwohlsein, das den Reisenden jedes Mal angesichts Roms und der von ihm hinterlassenen Bauten befällt und das ihm auch hier in Conímbriga zu schaffen macht. Es muss allerdings gesagt werden, das immerhin kann der Reisende einräumen, dass den Ruinen von Conímbriga eine subtile Monumentalität innewohnt, die den Betrachter behutsam in ihren Bann schlägt, und nicht einmal die massiven Mauern bringen die besondere Atmosphäre des Ganzen aus dem Gleichgewicht. Es gibt tatsächlich so etwas wie eine Ästhetik der Ruinen. Unversehrt muss Conímbriga

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