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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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eine schöne Stadt gewesen sein. Reduziert auf das, was wir heute sehen, hat sich diese Schönheit der Wirklichkeit gebeugt. Der Reisende kann sich nicht vorstellen, dass diesen Steinen etwas Besseres hätte passieren können, diesen großartigen Mosaiken, die an manchen Stellen zu ihrem eigenem Schutz von Sand bedeckt sind.
    Er geht lange umher, hört sich die umständlichen Erklärungen des Aufsehers an und stößt dann, als er wieder allein ist, unerwartet auf drei menschliche Skelette hinter Glas, Überbleibsel Roms, die aus der Tiefe ihrer Gräber in den Himmel über Portugal blicken, der zu diesem Zeitpunkt neblig ist. Der Reisende will seine Antipathien nicht weiter kultivieren, es ist doch so, Conímbriga wurde eingenommen, geplündert, teilweise zerstört, und zwar von den Sweben, die im Grunde genauso gut in besagtem Meer hätten untergehen können, statt hierherzukommen und andere untergehen zu lassen. Das Leben ist kompliziert, was nur ein wenig brillanter und erst recht kein origineller Gedanke ist, und so beschließt der Reisende, seinen kaum wirklich artikulierbaren Groll beiseitezuschieben und angemessenes Mitleid mit ein paar armen Knochen zu haben, die die Erde Portugals genährt hat und die zum Lohn dorthin zurückgekehrt sind.
    Jetzt kann er guten Gewissens nach Montemor-o-Velho fahren. Die Burg sieht man schon von weitem, sie nimmt die gesamte Anhöhe ein und vermittelt sowohl aufgrund ihrer Lage als auch wegen der Anzahl der viereckigen und zylinderförmigen Türme, die die Mauern verstärken, das beeindruckende Bild einer mächtigen Militärmaschinerie. Der Reisende muss sich keine spanischen Burgen herbeiträumen, es gibt sie auch in Portugal, und diese hier ist eine mehr, inzwischen bilden sie in seiner Erinnerung schon eine ganze Stadt. Möglicherweise lässt sich der Reisende, dem die Geisteswissenschaften nicht ganz fremd sind, auch von anderen Dingen beeinflussen, die mit der Burg selbst gar nichts zu tun haben, wie zum Beispiel der Tatsache, dass aus dem schönen Städtchen Montemor Fernão Mendes Pinto, der Autor der Perenigração , und Jorge de Montemor, der der Diana , stammen. Er ist sich wohl bewusst, wo neben diesen beiden sein Platz ist, nämlich ganz hinten, aber da der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind, findet er Gefallen an dem Gedanken, dass durch dieselbe Tür von Santa Maria de Alcáçova, jeder zu seiner Zeit, sowohl der gerissene Fernão als auch der der Liebe zugetane Jorge zur Taufe getragen wurden, und jetzt geht der Reisende auf eigenen Beinen hindurch, mit viel mehr Schalk im Nacken, als es dem Seelenheil zuträglich ist, aber neugierig wie Fernão und behutsam wie Jorge. So viel zu den Befindlichkeiten, wenden wir uns jetzt den Steinen und Gemälden zu. Santa Maria de Alcáçova hat drei Schiffe, aber die Bögen sind so weit und die Säulen gleichzeitig so schmal, dass man eher den Eindruck hat, sich in einem großen Saal zu befinden, dessen Stützen einen rein dekorativen Zweck erfüllen. Hier steht ein Altaraufsatz aus der Renaissance – vermutlich ein Werk Jean de Rouens, der uns ähnliche, doch bis zur letzten Formenvariation verschiedene Arbeiten beschert hat – und darauf, zwischen Santa Luzia und Santa Apolónia, eine gotische Jungfrau Maria guter Hoffnung von Mestre Pero samt befruchtetem Schoß, auf dem die linke Hand ruht. Ein wunderbares Bild, unvergesslich.
    Der Reisende geht hinaus auf den Hof und stellt anhand des Sonnenstandes (in mittelalterlichen Burgen scheint es wenig angebracht, sich an etwas anderem zu orientieren) fest, dass es Zeit fürs Mittagessen ist. Was ihm im Übrigen sein Magen schon seit einiger Zeit sagt. Also geht er hinunter in den Ort und lässt sich nahe der Igreja da Misericórdia nieder, die direkt am Flussufer liegt. Die Nähe zum Wasser sollte von Vorteil sein, solange der Fluss nicht über die Ufer tritt und in die Kirche läuft. Der Reisende weiß nicht, wie es in so einem Augenblick dort drinnen aussieht, ob die Heiligen die Umhänge heben müssen, um nicht nass zu werden, aber etwas anderes weiß er, nämlich dass er diese Worte, die respektlos wirken mögen, schreibt, um die Empörung zu überspielen, die er angesichts des mangelnden Respekts gegenüber kostbaren Kunstwerken empfindet, die durch Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit dem Tode geweiht sind. Der Reisende muss an dieser Stelle gestehen, dass er keine Heiligenbilder braucht, um vor ihnen kniend zu beten, aber er will sie beschützt wissen, weil es

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