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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Sebastiane in Portugal anfertigen, die Riesen und die kleinen Stümpfe, die kräftigen und die weibischen. Sicherlich ließen sich interessante Schlüsse daraus ziehen. Beim Hinausgehen fragt sich der Reisende, warum schlechte Kunst nicht einfach in Alben gesammelt wird, auf Postkarten, diesen kleinen, so beliebten Schätzen, aus denen die Menschen Geschmack und ihren Sinn für Ästhetik beziehen. Aber er bekommt keine Antwort, und damit schwindet seine letzte Hoffnung, denn wen soll er jetzt noch fragen?
    In Mamarrosa hält er sich nicht lange auf. Der Anblick des Ortes gefällt ihm, und wenn er sich nicht irrt und es nicht vielleicht doch woanders gewesen ist, war er auf dem winzigen Friedhof neben der Kirche, der so winzig ist, dass sich daraus nur eines folgern lässt, dass nämlich in Mamarrosa kaum jemand stirbt. Weiter im Süden kommt der Reisende durch Samel, Campanas, Pocariça. Die Landschaft, die sogenannte Bairrada, ist freundlich und nicht besonders aufregend. Heute wird es keine Überraschungen geben.
    Aber in Cantanhede sind es doch noch zwei, die auf ihn warten. Die erste ist chronologisch gesehen die Pfarrkirche. Sie steht auf einem großen Platz, ist schön anzusehen, und der Reisende zögert noch, ob er zuerst den geistigen Bedürfnissen nachkommen oder auf seinen knurrenden Magen hören soll, aber wo er schon mal da ist, geht er hinein. Er erinnert sich, bei Fernão Lopes gelesen zu haben, dass hier in Cantanhede Dom Pedro der Grausame seine Heirat mit Inês de Castro verkündet hat. Damals musste ein König nur sagen, er habe geheiratet, und schon verfasste der Notar eine Urkunde. Heutzutage brauchte man Trauzeugen, Stempel und Siegel, Geburtsurkunden, das Standesamt würde eingeschaltet und der König würde irgendwann ein zweites Mal heiraten.
    In dieser Kirche wirkte Jean de Rouen, einer der Glücksfälle, die Portugal im 16. Jahrhundert in der Person eines Bildhauers beschert wurden. Die anderen waren Nicolas de Chanterenne und Hodart. Sie alle kamen aus Frankreich und lockerten die romanische Strenge und die gotische Starrheit auf, und der Reisende denkt, dass einige weitere Gäste dieses Formats uns nicht geschadet hätten. Ein paar sind es ja noch gewesen, von denen allerdings keiner so fruchtbar war, abgesehen von Nasoni, all die anderen waren nur Werkzeuge einer niederen Kunst. Die Capela do Sacramento, in der sich die Sarkophage einiger Mitglieder der Familie Meneses befinden, ist ein erlesener Ort, mehr Gemälde als eine Anordnung von Gegenständen. Mit anderen Worten: Die Kapelle ist Architektur, die Figuren sind Skulpturen, aber das Ganze ergibt etwas Bildhaftes, und der Reisende hat das Gefühl, sich im Innern eines Gemäldes zu befinden. Weitere Altarbilder aus der Renaissance gibt es in der Misericórdia-Kapelle, und nicht zuletzt seien die schön geschwungenen Arkaden genannt, die die Seitenschiffe vom Hauptschiff trennen.
    Aber der Reisende sprach von zwei Überraschungen, und diese war erst die erste. Kommen wir zur zweiten. Draußen regnet es, was sich schon den ganzen Morgen angekündigt hatte und somit keine Überraschung ist. Der Reisende fragt einen freundlich wirkenden Passanten nach einem geeigneten Ort, um dem Körper Nahrung zuzuführen. Er drückt sich dabei nicht in diesem umschreibenden Stil aus, aber der Befragte mustert ihn, bevor er ihm antwortet, von oben bis unten, um schließlich mit der Sprache rauszurücken: »Gehen Sie zum Marquis de Marialva. « Warum es in Cantanhede einen Marquis de Marialva gab, begreift der Reisende erst später: Wo heute Reichtümer angehäuft werden, waren es früher Reichtümer und Titel. Dieser Marquis de Marialva, der sechste seines Geschlechts, war außerdem der achte Graf von Cantanhede. Der Reisende will jedoch nicht näher auf biographische Einzelheiten eingehen, zu diesem Zeitpunkt ist ihm mehr daran gelegen, seinen Hunger zu stillen. Er geht also zum Marquis de Marialva. Er sitzt an einem Fenster, sieht dem Regen zu und bekommt einen Stockfisch aus dem Ofen serviert, außerdem einen guten Wein, ein paar Puddingtörtchen in der Form, einen Schnaps aus vereister Flasche und einen ordentlichen Kaffee. Der Reisende ist so dankbar, dass er versucht ist, den Besitzer des Restaurants mit Marquis de Marialva anzureden oder mit Conde de Cantanhede, einen Titel dieser Art hätte er verdient. Und das ist weder auf die Wirkung des Weines noch die des Schnapses zurückzuführen, es ist reine Dankbarkeit. Der Reisende bezahlt die Rechnung

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