Die Porzellanmalerin
von den Molukken«, fuhr Carl Bogenhausen
fort. »Und hier haben Sie Anis. Vanilleschoten aus Mexiko. Zimt, Kardamom, Sandelholz. Koriander …«
Er hatte wahllos eine Schublade nach der anderen herausgezogen und zeigte nun auf mehrere Körbe mit unterschiedlich farbigen Teeblättern, die auf dem Boden standen.
»Ein First Flush Flowery Orange Pekoe. Und das ist Lapsang Souchong, eine chinesische Teespezialität, ein sogenannter Rauchtee. Er kommt aus dem Wuyi-Gebirge in der Provinz Fujian und ist relativ selten zu bekommen.«
Friederike trat an einen Tisch, auf dem eine große Schale mit Seifenstücken lag. Sie beugte sich über die Schale und sog tief den Duft ein. Sie rochen nach Zitrone, Orange und Lavendel.
»Und das hier sind Olivenseifen, die importieren wir direkt aus Nyons in der Provence. Oder aus Ligurien …«
Ligurien, kam da nicht Giovanni her? Nein, das konnte nicht sein, Ligurien war im Nordwesten Italiens, und er kam aus dem Osten. Bologna, Venedig … Sie wusste es nicht mehr genau. Ihr schwirrte der Kopf von all den Reichtümern um sie herum, sie fühlte sich wie verzaubert. Ob das tatsächlich an den Gerüchen lag, die den Raum beherrschten? Sie hatte den Verdacht, dass die seltsame Bohne, die Bogenhausen ihr gegen den Schwindel gegeben hatte, oder das Muskatnusspulver dieses Gefühl noch verstärkten.
Ihr Begleiter hatte ein Stück Seife aus der Schale genommen, um es genauer zu betrachten. Die Magie des Ortes schien ihn nicht zu berühren.
»Wieder Ausschussware!«, brummte er verärgert und steckte die Seife in die Tasche, um den Rundgang fortzusetzen. »Und hier haben wir das wichtigste aller Gewürze!«
Mit zwei Schritten war er an ein bis unter die Decke reichendes grob gezimmertes Regal getreten, in dem lauter flache Körbe standen. Schwarze, weiße, kleine, große …
Friederike starrte auf die Berge von Pfefferkörnern. Eine winzige Menge davon würde genügen, damit sie für den
Rest ihres Lebens ausgiebig ihre Mahlzeiten würde verfeinern können.
»Was wollen Sie haben?«
Seine kreisende Armbewegung umfasste auch die anderen Regale mit den Körben, Schalen, Säcken voller Kakaobohnen, Reis, Tee oder Zucker. Er lachte, als er ihre Unentschlossenheit bemerkte. Am liebsten hätte sie von allem etwas mitgenommen, um die Atmosphäre dieser Wunderkammer später in Höchst tagtäglich um sich zu haben.
»Ich gebe Alessi Bescheid, dass er Ihnen von allem etwas einpackt«, schien er ihre Gedanken zu erraten. Seine Stimme klang, als wäre das für ihn keine große Sache und erst recht kein unendlich wertvolles Geschenk.
Friederike wollte sich für die großzügige Geste bei ihm bedanken, als erneut der seltsame Schwindel Besitz von ihr ergriff. Sie wankte ein wenig, fing sich jedoch gleich wieder.
Ein ungewohntes Geräusch war zu hören, ein Trommelschlag. Sie spitzte die Ohren. Ja, nun konnte sie es ganz deutlich vernehmen, ein immer schneller werdendes rhythmisches Trommeln, begleitet von zarten Schellenklängen. Unwillkürlich fing ihr Körper an, sich leise im Takt zu wiegen. Der Schleiertanz, gewiss, das war die Aufforderung zum Schleiertanz! Mit fiebrigen Augen starrte der Sultan sie an. Jetzt wusste sie, an wen er sie erinnerte: Giovanni, der Sultan sah aus wie Giovanni! Sie begann, ihr Wiegen zu verstärken und mit den Hüften zu kreisen. Nun öffnete der Sultan leicht den Mund. Er sah nicht nur aus wie Giovanni, er war Giovanni! Giovanni, der auf ihren Kuss wartete …
Sie versank in seinem Blick. Ihr war heiß. Sie spürte, wie ihr die Röte bis unter die Haarwurzeln kroch. Tänzelnd trat sie einen Schritt vor, legte die Hände auf die Schultern des Mannes, hob sich auf die Zehenspitzen - und küsste ihn auf den Mund.
»Herr Rütgers! Sind Sie wahnsinnig geworden?«
Ruckartig, als hätte man ihn geschlagen, war Carl Bogenhausen zurückgewichen. Fassungslosigkeit hatte sich auf seinen
Zügen ausgebreitet. Sein Gesicht war kalkweiß, seine Augen schreckgeweitet.
»Ich … Herr Bogenhausen, entschuldigen Sie, aber …«
Was hatte sie getan, was war da in sie gefahren? Wo war das Loch, in dem sie versinken konnte? Aller Schwindel, aller Zauber war mit einem Mal von ihr abgefallen, ihr Kopf war vollkommen klar. O Gott, was hatte sie bloß getan? Wie konnte sie nur? Einen wildfremden Mann küssen, einfach so, ohne die geringste Aufforderung! Einen Mann, der zu allem Überfluss auch noch davon ausging, dass sie ebenfalls männlichen Geschlechts war! Wie furchtbar, wie
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