Die Porzellanmalerin
dass ihr Carls Geschichte ziemlich unglaubwürdig vorkam, doch der redete, ohne mit der Wimper zu zucken, weiter. Er wirkte so entspannt, als würde er in seinem eigenen Wohnzimmer sitzen. Und als Maria Seraphia Einwände hervorbrachte, wischte er diese mit pompöser Geste einfach zur Seite.
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ihr Gatte es gutheißen würde, wenn Sie sich einen solchen Auftrag durch die Lappen gehen ließen, gnädige Frau«, bedrängte er die Porzellanmalerin weiter.
Wenn ich nicht wüsste, dass er nur Theater spielt, dachte Friederike, wäre er mir jetzt richtig unsympathisch geworden. Wie arrogant er sein kann!
Als sie aufstehen wollte, um den Rückzug einzuleiten, weil ihr die ganze Sache allmählich zu heikel wurde, gab Maria Seraphia schließlich nach.
»Nun gut, ich kann Ihnen ein paar Sachen zeigen. Aber wenn Sie Porzellan suchen, sind Sie bei uns falsch! Hier wird nur Fayence hergestellt.«
»Das ist natürlich schade!« Bedauernd verzog Carl das Gesicht. »Mein Auftraggeber nimmt zwar auch Fayence, aber Porzellan wäre fraglos besser.«
»Da müssen Sie sich nach Meißen wenden. Oder nach Höchst
oder Wien. Bei uns bekommen Sie kein Porzellan - noch nicht jedenfalls. Vielleicht ja eines Tages; man kann nie wissen.«
Sie zuckte mit den Achseln, wie um anzudeuten, dass man auch in Haguenau nicht von vorgestern war.
»Wann rechnen Sie denn damit?«, hakte Carl prompt nach. Er hatte sich noch weiter zu ihrer Gastgeberin vorgebeugt, das Gesicht in die Hand gestützt, als hörte er jetzt besonders intensiv zu.
»Warum interessiert Sie das so sehr? Ich habe doch gesagt, der Zeitpunkt ist offen.«
Das Misstrauen in Maria Seraphias Stimme war unüberhörbar.
In dem Augenblick kamen zwei Manufakturmitarbeiter mit einem Tablett in den Raum, auf dem sich mehrere Terrinen in den unterschiedlichsten Formen befanden. Nachdem die Männer das Geschirr vor ihnen aufgebaut hatten, erhob sich Maria Seraphia schwerfällig und nahm den Deckel von einer Terrine in Form eines Wildschweinkopfes ab.
»Für Pasteten. Die verkaufen wir in großen Stückzahlen. Das hier ist unser beliebtestes Modell.«
Das Wildschwein hatte kleine Augen und furchterregende Hauer. Die Zunge hing ihm dunkel aus dem Maul. Es gab Gänse, Enten und Truthähne als Terrinen, außerdem Salat- und Kohlköpfe.
Einer der Mitarbeiter brachte nun ein Tablett mit Tonpfeifen herein, die genauso aussahen wie das Modell, aus dem Maria Seraphia kleine Kringel in die Luft paffte.
»Nein, nimm das wieder mit, Hans!« Sie hob abwehrend den Arm. »Die brauchen wir jetzt nicht.« An Friederike und Carl gewandt erklärte sie: »Wir sind in erster Linie natürlich Tabakpfeifenproduzenten.«
Zum x-ten Mal las sie die Aufschrift auf Carls Visitenkarte.
Nun brachten die Männer Teile aus einem Service herein, das mit Indianischen Blumen bemalt war.
»Sehr schön!«, lobte Friederike die gräuliche Keramik.
»Danke.« Die Malerin schien sich aufrichtig über das Kompliment zu freuen. Sie stellte sich neben Friederike. »Ja, diese Platte finde ich auch besonders gelungen.« Höflich, aber bestimmt fügte sie nach einer Weile hinzu: »Kann ich noch etwas für Sie tun? Es ist wohl besser, wenn Sie sich direkt an Herrn Hannong in Straßburg wenden. Auch wegen des Auftrags. Warum dachten Sie, dass es besser sei, hier nach Haguenau zu kommen?«
»Weil wir dachten, dass hier die Manufaktur sei.«
Carls Antwort klang in Friederikes Ohren etwas lahm, aber Frau von Löwenfinck nahm sie ohne weitere Nachfrage hin.
»Vielleicht haben Sie einen Katalog?«, versuchte es Friederike dann.
»Auch dafür wenden Sie sich am besten an Herrn Hannong.«
Aus mir wird nie eine gute Spionin, dachte Friederike, als Maria Seraphia sie nach draußen begleitete. Die Frau wich nicht von ihrer Seite, sodass sie keine Möglichkeit hatte, sich noch ein wenig umzuschauen. Keiner der Mitarbeiter der Manufaktur ließ sich mehr sehen, dabei hätte sie so gern einen Blick auf Ringler geworfen, wenn schon von Löwenfinck selbst nicht vor Ort war. Beide Männer waren schließlich Legenden der Porzellanwelt.
Selbst als die zwei Rappen schon wieder angeschirrt waren, blieb Maria Seraphia, immer noch rauchend, neben ihnen stehen.
»Sie klingen gar nicht wie ein echter Frankfurter«, sagte sie zu Friederike. Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Pfeife. Der Qualm verbarg für einen Moment ihr Gesicht. »Wissen Sie, dass ich selbst aus Fulda komme?«
Sie schien keine Antwort von
Weitere Kostenlose Bücher