Die Porzellanmalerin
ein kalter Regenguss. Natürlich, er hatte ja vollkommen recht. Sie wusste selbst nicht, was plötzlich in sie gefahren war. Hatte sie ihm jetzt etwa auch noch einen Heiratsantrag gemacht? Was für eine absurde Vorstellung! Carl und sie würden bestimmt kein gutes Ehepaar abgeben, auch wenn sie sich bestens verstanden und eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten hatten. Aber die Hausfrauenrolle in einem gutbürgerlichen Haushalt würde ihr garantiert nicht liegen. Genau davor war sie ja davongelaufen. Wenngleich Carl gewiss ein anderes Kaliber war als Per Hansen. Nein, was sie ärgerte, war die Tatsache, dass er offenbar nicht zu ihr stand! Seine nüchterne Art, die Rolle der Gattin und die der Geliebten zwischen ihr und Mathilde aufzuteilen, war, bei Licht betrachtet, eine Frechheit - und zwar beiden Beteiligten gegenüber. Sie hatte die glücklich lächelnde Mathilde mit ihrem Sonnenschirmchen und dem Kussleuchter noch genau vor Augen: Nie im Leben würde diese Frau eine Geliebte an der Seite ihres Mannes dulden! Einmal ganz abgesehen davon, dass sie, Friederike, eines Tages auch selbst Kinder haben wollte. Wozu natürlich ein Ehemann gehörte. Der ihren Beruf guthieß und sie nach allen Kräften darin unterstützte. Wie hatte Maria Seraphia das nur geschafft, einen Mann zu finden, der sie als das akzeptierte, was sie war: Künstlerin, Mutter, Ehefrau und Geliebte?
»Außerdem kann ich diese Hochzeit mit Mathilde auch gar nicht mehr abwenden«, fuhr Carl ungerührt fort. »Sie ist für den Sommer geplant, das wurde schon vor Ewigkeiten so beschlossen.«
Friederike hatte das Gesicht von ihm weggedreht. Sie wollte nicht, dass er ihre Enttäuschung mitbekam. Auch wenn es völlig albern war, dass sie so fühlte.
»Mathilde wird uns nicht stören«, sagte Carl noch einmal. Er schien nun bemerkt zu haben, wie es um sie stand. Die Stadttore waren schon in Sicht, als er das Cabriolet an den Straßenrand lenkte und die Pferde anhielt. Er legte die Peitsche zur Seite und nahm ihre Hände in die seinen.
»Friederike, das hat doch mit uns nichts zu tun! Eine Hochzeit ist eine rein rechtliche und finanzielle Angelegenheit. Man legt Vermögen zusammen. Es geht dabei nicht um Liebe, zumindest nicht in meinen Kreisen!«
»Warum willst du jemanden heiraten, den du nicht liebst?«, schnaubte sie. »Du wirst dein ganzes Leben mit dieser Person verbringen müssen. Wie kannst du tagein, tagaus jemanden um dich haben wollen, der dir vollkommen egal ist? Wie kannst du mit so jemandem das Bett teilen?«
»Aber ich würde meine Zeit ja nicht mit Mathilde verbringen! Sie wäre einfach nur da. Wie eine Art Möbelstück.« Er zog sie an sich und küsste sie.
Geschickt, wie er sich über das gemeinsame Ehebett ausgeschwiegen hat!, dachte sie unter seinen Liebkosungen. Sie fühlte sich wie ein trotziges, ungezogenes Kind und konnte seine Berührungen einfach nicht erwidern.
Plötzlich veränderte sich Carls Gesichtsausdruck.
»Du würdest mich ernsthaft heiraten wollen?«, fragte er. »Du bist wütend, weil ich schon verlobt bin? Das ist süß!«
Wieder küsste er sie, aber diesmal so voller Inbrunst, dass sie keinen Zweifel mehr hegte, die Einzige in seinem Herzen zu sein. Erst als von einem der vorbeifahrenden Wagen ein lautes » Oh là là! « und ein lang gezogener Pfiff ertönte, wurden sie sich bewusst, dass sie sich mitten auf einer Landstraße befanden.
Zurück im Gasthof, konnten sie es kaum erwarten, endlich ihrer Leidenschaft nachgeben zu können. Hastig rissen sie einander
die Kleider vom Leib und liebten sich mit der Begierde der frisch Versöhnten auf dem Teppich vor dem Kamin.
»Wenn ich wirklich die Wahl hätte, Friederike, dann würde ich dich heiraten«, sagte Carl ernst, als sie nachher eng umschlungen in das wärmende Feuer starrten, jeder ein Glas Crémant vor sich, den die Hoteldirektion ihnen aufs Zimmer hatte bringen lassen.
»Als freier Mann würde ich mich sicher für dich entscheiden. Aber so geht das leider nicht - das verstehst du doch, oder?«
Er schien keine Antwort von ihr zu erwarten, sondern legte die Stirn in tiefe Falten.
»Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn wir es uns mit Mathildes Familie verderben würden! Die Leclercs hätten garantiert nichts Besseres im Sinn, als den Bogenhausens zu schaden, wo sie nur könnten. Mein Bruder … tja, Emanuel würde mir schon aus Prinzip eine riesige Szene machen und sich dann wohl vor allem um seine Nobilitierung sorgen. Und du, Friederike, du
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