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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Herren hatten sie empfangen wie einen verlorenen Sohn. Als Friederike von den näheren Umständen des bevorstehenden Maskenballs erzählt hatte, waren sie völlig aus dem Häuschen gewesen, so außergewöhnlich war ihnen diese Einladung erschienen. Ein Porzellanmaler, der vom König empfangen wurde? Der das neue Schloss der Pompadour besuchen durfte? Monsieur Panier war um sie herumgehüpft wie ein aufgeregter kleiner Junge, während Monsieur Lirac immer nur »Unglaublich, unglaublich!« gehaucht hatte.
    Drei Tage hatte sie sich in dem geräumigen Wohnatelier unweit des Rive Droite aufgehalten, ohne - zum ersten Mal seit Langem - irgendwelchen Zwängen oder Pflichten ausgesetzt zu sein, und sich nach Strich und Faden verwöhnen lassen. Sie hatte morgens lange geschlafen, ausgedehnte Erkundungstouren durch Paris unternommen und sich während der von Monsieur Lirac hingebungsvoll zubereiteten Mahlzeiten nach Herzenslust den Magen vollgeschlagen. Jegliche Übelkeitsanflüge waren verschwunden. Nur auf ihre Blutungen wartete sie noch immer, mit jedem Tag weniger zuversichtlich.
    »Lieber Frédéric, was ist nun mit dem Kostüm für den Ball im Hause Pompadour?«, fragte Monsieur Panier schließlich am vierten Tag ihres Aufenthalts beim Frühstück.
    Sein hageres Gesicht hatte sich in kummervolle Falten gelegt. Mit einem kurzen Hieb schlug er seinem Fünf-Minuten-Ei den Kopf ab. Den kleinen Finger spreizte er geziert ab.
    »Wissen Sie, es ist nicht gesagt, dass ich etwas auf Lager habe, das Ihnen gefällt und auch noch passt. Ich weiß ja gar nicht, in welche Richtung Sie Ihr Kostüm haben möchten, ob Sie
etwas Heiteres, um nicht zu sagen: Frivoles wünschen oder ob Sie lieber ganz seriös - zum Beispiel als römischer Feldherr - gehen möchten.«
    »O Gott, ja!« Friederike war der Schreck in die Glieder gefahren. »Das hätte ich fast vergessen. Übermorgen muss ich in Meudon sein!«
    Was war sie doch für eine Meisterin im Verdrängen geworden!
    »Nun, dann wird es ja höchste Zeit!«
    Monsieur Lirac lächelte sein mütterlichstes Lächeln und erhob sich schwungvoll vom Kaffeetisch. Mit einem Kopfnicken bedeutete er dem herbeigeeilten Dienstmädchen, die Teller abzuräumen. Ohne dem Protest von Monsieur Panier Beachtung zu schenken, der noch nicht einmal seinen Kaffee ausgetrunken, geschweige denn sein Ei fertig gegessen hatte, wandte er sich fragend an Friederike.
    »Ich hoffe doch, mein Lieber, Sie beherrschen die gängigen Tänze? Sonst gebe ich Ihnen gern ein wenig Nachhilfeunterricht. Ich habe mir berichten lassen, außer dem Passepied sind unsere guten alten Tänze gar nicht mehr à la mode . Man tanzt jetzt Quadrille bei Hof - kennen Sie das aus Meißen? Und natürlich Menuett, die ›Königin aller Tänze‹«, fuhr er eifrig fort und stellte sich in Positur, die kräftigen Arme graziös in die Taille gestützt. »Ich liebe diesen Tanz! Zu schade, dass ich hier so selten Gelegenheit zu tanzen habe. Wissen Sie, in meiner Jugend war ich beim Corps de Ballet von Versailles. Und später dann Ballettmeister …« Er hielt inne, um einen herzzerreißenden Seufzer auszustoßen. Mit dem rechten Arm hatte er einen anmutigen Bogen geschlagen und sich die Hand auf die Brust gelegt. » Tempi passati , leider ist das alles sehr, sehr lange her. Wie gern würde ich wieder einmal tanzen oder wenigstens zuschauen, wenn meine jungen Kollegen ihre Kunst zum Besten geben! Aber Henri nimmt mich ja nie mit, wenn er bei Hofe weilt …«
    »Wie stellst du dir das vor, Serge? Du weißt doch, dass das nicht geht!« Monsieur Panier hätte sich fast an seinem Kaffee
verschluckt. Vorwurfsvoll blickte er zu seinem Gefährten hinüber, der gerade eine zweifache Pirouette probierte.
    Friederike war überrascht, wie elegant sich Serge Lirac trotz seiner enormen Körperfülle bewegen konnte. Ehe sie sich’s versah, hatte der alte Ballettmeister ihre Hände ergriffen, sie von ihrem Stuhl hochgezogen und um die eigene Achse gewirbelt.
    »Nun reicht es aber, Serge!«, kam Monsieur Panier ihr zu Hilfe. »Komm, Frédéric, wir verlassen diesen Ort. Das ist lebensgefährlich, was Serge da treibt. Außerdem müssen wir arbeiten. Auf nach oben ins Atelier, mein Lieber!«
    Leicht benommen folgte sie ihrem Gastgeber die engen Stiegen des Pariser Wohnhauses hinauf. Während sich das Ladengeschäft, in dem Monsieur Panier Stoffe, Kurzwaren und Accessoires feilbot, im Erdgeschoss befand, hatte er sein Atelier im Dachgeschoss eingerichtet, dessen

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