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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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geworden,
dass sie ihn kaum mehr hatte verstehen können. Doch plötzlich ging ein Ruck durch den Körper des alten Mannes, seine Stimme wurde fest.
    »Ich muss schon sagen, Henri« - Serge Liracs Blick wanderte zur Treppe, auf der mit stolzgeschwellter Brust und triumphierendem Gesicht noch immer wartend sein Gefährte stand - »dieses Mal hast du dich selbst übertroffen. So schön war noch keine der Frauen, die du in all den Jahren eingekleidet hast.«

    Schon von Weitem hatte Friederike das hell erleuchtete Schloss sehen können, das auf einer Anhöhe lag. Es war umgeben von Parkanlagen und ging auf der einen Seite hinaus auf die Seine. Am Ende des weiten Ehrenhofs erhob sich ein imposantes einstöckiges Gebäude mit mehreren Erkern und einem ausgebauten Dachgeschoss, das von einem spitz zulaufenden Giebel gekrönt wurde. Rechts und links wurde das Haupthaus von zwei niedrigen, lang gezogenen Pavillons eingerahmt, offenbar die Wirtschaftsräume und Zimmer für Dienerschaft und Gäste. Überall im Hof standen Kübel mit weiß blühenden Bäumchen, und über dem Entree hing eine üppige Girlande aus Tannenzweigen, in die Rosen in allen Rotschattierungen hineingeflochten waren. Flackernde Fackeln steckten dicht an dicht in Rasen und Beeten, oder sie klemmten in eigens dafür vorgesehenen Haltern entlang der Außenwände des Gebäudes. Alles strahlte eine schlichte, vornehme Ruhe aus, aber zugleich konnte man spüren, dass hier das Leben pulsierte und die Besitzerin des Anwesens es verstanden hatte, aus dem Ort einen illustren Treffpunkt zu machen.
    Monsieur Lirac hatte Friederike erzählt, dass der König, wenn er sich nicht gerade auf Reisen befand, fast häufiger in diesem Lustschloss als zu Hause in Versailles weilte und dass die Marquise eigens für ihn das ganze erste Stockwerk hatte einrichten lassen.

    Und Henri Panier hatte darauf bestanden, sie persönlich nach Meudon zu begleiten. Seine Kutsche war zwar weitaus bescheidener als die nacheinander vorfahrenden Wagen der anderen Gäste, aber sie rechnete es dem alten Schneidermeister hoch an, dass er nicht nur die Mühe der langen Fahrt auf sich genommen hatte, sondern im Moment des Abschieds auch so einfühlsam war, genau zu erfassen, was in ihr vorging.
    »Nur keine Angst, meine Liebe!«, hatte er ihr Mut zugesprochen, bevor er seinem Kutscher das Zeichen zum Aufbruch gegeben hatte. »Sie werden sehen: Niemand schöpft auch nur einen Funken Verdacht. Alles ist ganz normal, nichts ist irgendwie außergewöhnlich. Sie sind eine schöne junge Frau, die zu einem Ball eingeladen ist und sich fest vorgenommen hat, das Fest in vollen Zügen zu genießen.«
    Sie war schon halb ausgestiegen, als er ihr noch hinterhergerufen hatte:
    »Und nicht vergessen: Heute sind Sie die Königin der Nacht!«
    Der herbeigeeilte Diener hatte ihren leichten Lederkoffer entgegengenommen und sie zu einem der beiden Seitenflügel gebracht, wo sie wie alle Gäste von außerhalb in einem der Besucherzimmer übernachten sollte. Sie hatte sich ein wenig frisch gemacht, Maske und Schleier so gerichtet, dass wirklich niemand mehr sie zu erkennen vermochte, und war dem Lakaien zum Haupthaus gefolgt.
    Nun stand sie eingereiht in die lange Schlange in der Eingangshalle und wartete darauf, vorgelassen und offiziell empfangen zu werden. Ihr Blick wanderte von den beiden Statuen, die ihren Accessoires zufolge »Musik« und »Poesie« darstellen sollten, zu der weit geöffneten Flügeltür, welche zum Vorzimmer führte. Eine Tafel mit unzähligen Gläsern und Weinflaschen sowie mehreren Tabletts mit Kanapees stand an der einen Wand, während die gegenüberliegende Seite von einem ausladenden blauen Sofa beherrscht wurde, auf dem drei kichernde Grazien saßen, eine freizügiger gewandet als die andere. Ein schlanker,
nicht sonderlich hoch gewachsener Mann mit einer Vogelmaske, die sein Gesicht vollständig verdeckte, und einem bunt schillernden Rock mit langen Schößen stand neben dem Sofa und schaute auf die drei Damen herab. Friederike konnte seine Miene unter der Maske nicht sehen, aber seine Haltung drückte deutlich erkennbar eine gelangweilte Unruhe aus.
    Ihr Blick wanderte weiter zur nächsten Tür, hinter der die Gesellschaftsräume der Marquise liegen mussten: Gedämpfte Streichermusik und ein Gewirr aufgekratzter Stimmen drangen an ihr Ohr. Für einen Moment meinte sie, ein schrilles Lachen aus der Menge herauszuhören, das ihr seltsam bekannt vorkam, das sie aber nicht näher einzuordnen

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