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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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ungewöhnlich große Fenster helles Tageslicht in den Raum dringen ließen. Der ganze Boden war bedeckt mit Stofffetzen in sämtlichen Farben, Qualitäten und Mustern, in den tiefen Regalen stapelten sich die Ballen, und Stoffbahnen unterschiedlichster Couleur waren auf den langen Arbeitstischen ausgebreitet. In einer Ecke entdeckte sie mehrere lebensgroße Puppen, die in kostbare Gewänder gehüllt waren. Sie hatten Perücken auf und waren so gruppiert, als wären sie in ein Gespräch vertieft, eine Dame hielt sogar einen Fächer in der Hand. Auf einem niedrigen Bord unter dem größten Fenster des Ateliers standen mindestens zehn Köpfe nebeneinander, die die ausgefallensten Perücken und Masken trugen, Masken, die entweder nur die Augen oder das ganze Gesicht bedeckten. Ein halb geöffneter Samtvorhang gab den Blick auf ein Kabuff frei, in dem in hohen Messingvasen Degen, Schwerter und sonstige Waffen steckten. An zwei Stangen, die an der Decke aufgehängt waren, hingen unzählige Kleider, Mäntel und Röcke, ein Stück prächtiger als das nächste.
    »Haben Sie denn gar keine Idee, als was Sie gehen möchten?«
    Henri Panier musterte sie fragend. Sein Blick wanderte von
ihrem Kopf zu ihren Füßen und zurück. »Oder vielleicht nehme ich erst einmal Maß, und wir schauen dann, was ich so dahabe, einverstanden?«
    Flugs hatte er sich ein Maßband geschnappt, das auf einem der Arbeitstische lag, und begann ihre Körperteile abzumessen.
    »Lieber Frédéric …« Er erhob sich schließlich ächzend aus seiner knienden Haltung, nachdem er auch noch ihre Schuhgröße festgestellt hatte. Ein paar lange, bunte Fäden hingen verloren an seiner bestrumpften Wade. Um das Handgelenk hatte er ein kleines rotes Samtkissen gebunden, in dem ein Dutzend Nadeln steckten. Er beugte sich über seinen Tisch und notierte ein paar Zahlen auf ein Blatt Papier.
    »Lieber Frédéric, ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten«, er drehte sich schließlich leicht verlegen zu ihr um, »aber für einen jungen Mann sind Ihre Maße nicht eben …«
    Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Hinter Monsieur Panier sah Friederike das hohe Fenster mit dem blauen Stück Himmel, in dessen gewölbtem Rahmen sich die Dächer der Nachbarhäuser rot in rot voneinander abhoben. Eine schwarze Katze rieb ihren Rücken gegen einen Schornstein. Tauben setzten zur Landung auf den Ziegeln an oder flatterten flügelschlagend davon. Alles war in ein mildes Frühlingslicht getaucht, die Luft war klar und doch seltsam milchig.
    Friederike senkte als Erste den Blick. Sie wusste nicht, was sie sagen, wie sie sich erklären sollte. Sie wusste nur eins: Sie hatte keine Lust, länger Versteck zu spielen. Es war sowieso alles vergebliche Liebesmüh, früher oder später würde jeder Blinde an ihrem dicken Bauch und üppigen Busen erkennen, dass sie eine Frau war.
    »Also hat Serge doch recht gehabt!«, rief Monsieur Panier in einer Mischung aus echter Verblüffung und gespielter Empörung, als sie ihr Geständnis beendet hatte.
    »Er hat vom ersten Tag Ihres Besuches gemutmaßt, dass Sie eine Frau sind. ›Der gute Frédéric hat neuerdings so weiche Züge‹,
hat er gesagt. ›Na, die kochen eben gut in Vincennes!‹, habe ich geantwortet. ›Mein Lieber‹, hat er mir widersprochen, ›über deine Naivität kann ich einmal mehr nur staunen: Frédéric ist eine Frau, und sie erwartet ein Kind!‹ Sie glauben gar nicht, wie wütend ich da geworden bin, lieber Fré… Äh, Sie heißen ja gar nicht mehr Frédéric, ach … Also, wissen Sie, meine Liebe, ich bin ganz durcheinander. Aber irgendwie freue ich mich auch. Eine attraktive junge Frau, die ihr erstes Kind erwartet - etwas Schöneres kann es doch gar nicht geben!« Er lächelte ein wenig verschämt. »Eigentlich dürfte ich Ihnen das wohl gar nicht sagen, aber … Mir kommt es fast so vor, als würden Sie mich zum Großvater machen, wissen Sie das? Sie sind Serge und mir sehr ans Herz gewachsen in diesen wenigen Tagen. Schon auf der Fahrt nach Vincennes waren wir beide ganz begeistert von Ihnen. Und jetzt diese Neuigkeit!« Unbeholfen tätschelte er ihren Arm. »Wir beide haben ja leider nie Kinder bekommen, umso mehr füllen Sie - und jetzt auch noch das Kleine in Ihrem Bauch - diese Leere in unserem Leben aus … Aber«, riss er sich zusammen, »genug der schönen Worte: Ich glaube, wir haben einiges zu tun, denn Sie wollen ja gewiss nach wie vor auf den Ball nach Meudon, nicht wahr?«
    Was für ein Glück, dass er

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