Die Porzellanmalerin
ich mich gut …«
» Certo , warum bin ich nicht gleich darauf gekommen!«, kreischte die Contessa nun auf. »Federico! Friedrich! Mein Freund, der Porzellanmaler! Der eigentlich eine Frau war und mir meinen Verlobten gestohlen hat …«
Wiehernd schlug sie sich auf die Schenkel; sie schien sich gar nicht mehr beruhigen zu können vor Lachen.
Die ganze Zeit hatte der Fremde ihr Handgelenk umfasst gehalten, sodass Friederike sich nicht von der Stelle rühren konnte. Der König hatte seinen Stuhl mit einem lauten Scharren auf dem glänzenden Parkett zurückgeschoben und sich in seiner ganzen Länge vor ihr aufgebaut. Sein Gesicht war blass. Aus zusammengekniffenen Augen starrte er sie an. Keine Spur von Freundlichkeit oder gar Begeisterung lag mehr in seinem Blick.
»Wer sind Sie?«, fragte er kühl.
Auch die Pompadour hatte sich erhoben und war an ihren Tisch geeilt.
»Eine Spionin, das ist sie!«, zischte sie, als hätte sie nur darauf gewartet, ihre angestauten Hassgefühle gegenüber ihrer Widersacherin endlich zeigen zu können. »Unter falschem Namen hat sie sich in die Manufaktur eingeschlichen. Und nun hat sie auch noch versucht, Euch den Kopf zu verdrehen, Sire.«
Ihre ebenmäßigen Züge waren wutverzerrt, ihr Hals mit roten Flecken übersät.
»Sagen Sie mir sofort Ihren wahren Namen!«, herrschte sie Friederike an.
Diese war wie gelähmt. Keinen Ton brachte sie hervor. Gehetzt blickte sie um sich. Die Lakaien hatten in ihrem geschäftigen Treiben innegehalten; beladen mit Stapeln von Tellern und Tabletts, mit Flaschen in den Armen standen sie da und starrten zu ihnen herüber. Die meisten Gäste hatten ihre Masken beim Essen abgenommen und gafften sie aus hämischen, schadenfrohen oder einfach nur interessierten Mienen an.
Nur ein Mann hatte sich seiner Verkleidung nicht entledigt. Wie aus dem Erdboden gewachsen stand er plötzlich vor der kleinen Gruppe, die Hand am Portepé, den sehnigen Körper gespannt. Seine ganze Gestalt drückte höchste Wachsamkeit und zugleich etwas unterschwellig Bedrohliches aus.
»Lassen Sie sofort die Frau los!«, fuhr er den Sachsen an.
Der Mann war so verblüfft, dass er dem Befehl widerstandslos gehorchte. Auch die anderen Umstehenden schienen wie unter einem Bann zu stehen.
»Und du kommst mit!«, sagte er leise zu Friederike. Er schaute sie nicht an, sondern ließ seinen Blick wie ein Krieger auf dem Schlachtfeld aufmerksam über die Reihen, durch den Saal schweifen.
Noch war die Tür zur Eingangshalle offen, erriet sie seine Überlegungen, noch hatten die Bediensteten des Königs und der Marquise die Brisanz der Situation nicht erkannt und keine
Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um die Flucht der Verräterin und ihres Komplizen zu vereiteln.
Als wäre alles in bester Ordnung, versank Friederike in einen tiefen Hofknicks.
»Sire … Madame la Marquise …«
Ernst nickte sie ihren beiden sprachlosen Gastgebern zu, bevor sie Giovanni Ludovico Bianconis ausgestreckte Hand ergriff und gemessenen Schrittes mit ihm den Ballsaal verließ.
9. KAPITEL
G iovanni hatte an alles gedacht: Sie musste den Ort so schnell wie möglich verlassen, brauchte also ein Pferd; sie würde sicher ihren kleinen Handkoffer mitnehmen wollen, den sie im Gästehaus gelassen hatte; und sie verkleidete sich am besten wieder als Mann, weil sie dann am wenigsten auffiel. Kaum hatte Friederike an seiner Hand das Hauptgebäude verlassen und, eng an die Fassade des Seitenpavillons gedrückt, den Ehrenhof Richtung Park durcheilt, trat ihnen aus dem Schatten der ihr wohl bekannten Kalesche Giovannis Kutscher Ernesto entgegen, ein gesatteltes und gezäumtes Pferd am Zügel führend.
» Signora, ecco! È un cavallo molto buono , ein gutes Pferd, das hat man mir hoch und heilig versprochen«, brachte er atemlos hervor.
Ob der alte Neapolitaner wohl in ihr den Meißener Porzellanmaler Friedrich Christian Rütgers erkannt hatte?, fragte sie sich unwillkürlich. Und woher hatten er und Giovanni in einer solchen Windeseile Kleidung und Ross für sie besorgt? Wie war Giovanni überhaupt auf die Idee gekommen, dass sie in Gefahr sein könnte und möglicherweise würde fliehen müssen?
Ihr war klar, dass sie jetzt keine Zeit haben würde, ihm all diese Fragen zu stellen. Jeden Moment konnten die Bediensteten des Königs sie aufstöbern, sie musste fort von hier, so rasch wie möglich. Sie hatte die Pompadour und Louis XV. menschlich tief enttäuscht und ihr Vertrauen missbraucht. Von nun an würde sie
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