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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Weißbrot und zwei verschiedenen Saucen wurde von dem herbeieilenden Maître
de Cuisine vor ihr abgestellt, während der hinter ihr postierte Lakai ihr ein Glas Perlwein einschenkte.
    »In Paris«, antwortete sie möglichst unbefangen und schlug vorsichtig ihren Schleier zurück. Auch wenn sie damit ihr Gesicht bis auf die Augenpartie zeigte, die weiterhin von der kleinen Maske verborgen bleiben würde, war dies noch immer weniger auffällig, als wenn sie mit Schleier zu essen und zu trinken versucht oder ganz darauf verzichtet hätte.
    »In Paris, ich verstehe … Und Ihr reizendes Kostüm, das haben Sie wohl auch in Paris anfertigen lassen?«
    Sein Blick war prüfend über ihr Gesicht geglitten und hatte sich dann in ihren Ausschnitt versenkt. Mit der linken Hand streichelte er über ihren Unterarm.
    »Ja, Majestät«, sagte sie verschämt. Sie hatte beschlossen, das schüchterne junge Mädchen zu spielen und so wenig wie möglich zu sprechen. Sollte er ruhig denken, dass die Anwesenheit Seiner Majestät Louis XV. sie so in Verlegenheit brachte, dass sie kaum ein Wort über die Lippen brachte.
    Unter dem Tisch fühlte sie, wie sich das Knie des Königs gegen ihren Schenkel presste. Scheinbar unbeabsichtigt nahm sie ihr Bein ein wenig zur Seite und ließ ihr Mundtuch zu Boden fallen, damit sie einen Vorwand hatte, ein Stück von ihm abzurücken, wenn sie nach der Serviette fischte. Doch sie hatte nicht mit der aufmerksamen Dienerschaft der Pompadour gerechnet: Schon stürzte ein Lakai herbei, um ihr auf einem Teller ein neues Mundtuch zu bringen.
    »Und was treiben Sie so in Paris, wenn ich fragen darf? Eine schöne junge Frau wie Sie ist doch sicher …«
    »Eccellenza!« , wurde der König von einer rauchigen Frauenstimme unterbrochen. »Che bello che proprio al tavolo Suo ci siano ancora due posti liberi!«
    Mit der ihr eigenen Unverfrorenheit hatte die Contessa, die ihre wallende rote Mähne längst aus der Affenkappe befreit hatte, den frei gebliebenen Stuhl zur Rechten des Königs zurückgezogen
und ihren nackten Hintern darauf platziert. Den Seidenmantel drapierte sie mit einem koketten Augenaufschlag gekonnt um sich herum. Ihr Begleiter, der Mann aus Köstritz, wie Friederike sogleich erkannt hatte, wies trotz seines angetrunkenen Zustands deutlich bessere Manieren auf. Mit einer respektvollen Verbeugung begrüßte er den König, bevor auch er sich an ihrem Tisch niederließ.
    Das Essen schien kein Ende nehmen zu wollen. Immer wieder brachten die drei Pagen, die vom Maître de Cuisine mit kurzen gebellten Befehlen hin und her dirigiert wurden, dem König und seinen Tischnachbarn neue Köstlichkeiten von der großen Tafel oder direkt aus der Küche. Die ganze Mahlzeit hindurch hatte Friederike das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen. Und zwar nicht nur durch die Pompadour, die zwei Tische von ihnen entfernt saß und ihrem grüblerischen Gesichtsausdruck nach zu schließen herumrätselte, wer diese unbekannte Konkurrentin wohl war, der der König so viel mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihr, der Favoritin, sondern auch durch die anderen Gäste. Neugierig blickten sie zu ihnen herüber, tuschelten oder lachten hinter vorgehaltener Hand, zumal die Contessa zu großer Form aufgelaufen war und den sichtlich amüsierten König mit einer Albernheit, mit einer Zote nach der anderen zu beeindrucken trachtete.
    Nur einen ließ die unangenehme Situation, in die sie da geraten war, offenbar völlig gleichgültig: Giovanni. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Immer wieder sah Friederike sich unauffällig in dem großen Ballsaal zwischen den vielen Menschen um, doch sie konnte ihn einfach nicht entdecken. Kein Vogelmann weit und breit. Er hatte das Fest doch wohl nicht verlassen?, fragte sie sich mit zunehmender Bangigkeit. War die Gefahr, in der er sich befand, so groß, dass er hatte fliehen müssen, ohne sich von ihr zu verabschieden? Oder hatte ihm diese kurze Begegnung mit ihr auf der Terrasse genügt, um sich über seine Gefühle klar zu werden? Seine plötzliche Kälte … Ja, warum
hatte er sie überhaupt weggeschickt, direkt in die Fänge des Königs? ›Die Geschichte wiederholt sich‹, hatte er gesagt. Hatte er damit gemeint, dass es nun an ihr war, die Mätresse des Königs zu werden, wie seinerzeit die Pompadour? Und dass er ohnehin keine Veranlassung sah, um sie zu kämpfen?
    Friederike schaute zu dem Tisch hinüber, an dem die Marquise saß und sichtlich bemüht war, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

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