Die Porzellanmalerin
als verräterischer Spion gelten. Welche Konsequenzen das
haben mochte, wollte sie sich lieber gar nicht erst ausmalen. Hastig schlüpfte sie aus ihrem Kostüm und zog sich die Beinkleider samt Wams und Rock über, die Giovanni ihr wortlos reichte. Mit einem Fetzen ihres Unterkleids wischte sie sich notdürftig die Schminke vom Gesicht und stülpte sich den ebenfalls von Giovanni herbeigezauberten Schlapphut übers Haar.
Sie hatte schon die Zügel des Schimmels in der Hand und den Fuß in den Steigbügel gesetzt, als ihr bewusst wurde, dass nun erneut der Moment des Abschieds gekommen war. Eines Abschieds womöglich für lange Zeit. Langsam drehte sie sich um.
»Giovanni …«
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr Kopf war wie leer geblasen. Schweigend blickte sie ihr Gegenüber an.
Er hatte die Vogelmaske längst abgenommen und stand mit hängenden Armen vor ihr. Etwas seltsam Mutloses ging von ihm aus, er schien mit dem Krieger von eben, der durch seine pure, vibrierende Präsenz den ganzen Ballsaal in Schach gehalten hatte, nichts mehr gemein zu haben.
»Federica …«
Auch ihm schienen die Worte zu fehlen. Sie wusste nicht, wie lange sie einander einfach nur angeschaut hatten, bis er ihr sanft, aber bestimmt die Zügel aus der Hand nahm und sie an Ernesto weiterreichte. Er fasste sie unterm Arm und zog sie mit sich auf die dem Schloss abgewandte Seite der Kutsche.
»Schon wieder müssen wir uns trennen, Federica. Es scheint unser Schicksal zu sein …«
Er lächelte, doch seine Stimme klang bedrückt. Mit dem Rücken lehnte er gegen den Wagen. Er blickte sie nicht an, sondern sah hinunter ins Tal.
»Aber es ist besser so«, seufzte er schließlich. »Du schwebst in großer Gefahr. Mit dem König ist nicht zu spaßen. Wenn er sich von jemandem hintergangen fühlt, kennt er kein Pardon. Ich weiß, wovon ich rede, nicht von ungefähr bin ich im Donjon gelandet.«
Ein Beben ging durch seinen Körper, als wollte er die Erinnerung an seine Zeit im Gefängnis von sich abschütteln.
»Ich muss sagen, die Vorstellung von dir im Kerker behagt mir gar nicht … Genauso wenig gefällt mir allerdings der Gedanke, dass wir uns nun schon wieder trennen müssen.«
Er strich ihr mit dem Handrücken über Wangen und Stirn.
Friederike hatte die Augen geschlossen. Sie stand ganz still und spürte der Berührung nach. Als sie die Lider hob, sah sie direkt in das warme, weiche Braun seiner Iris. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Ihre Lippen trafen aufeinander, vereinigten sich.
Giovanni hielt sie so fest umfasst, als wollte er sie nie mehr loslassen. Seine Zärtlichkeiten wurden drängender, schon war er mit den Händen unter ihr Wams gefahren, um ihr über den bloßen Rücken zu streicheln. Plötzlich riss er sich von ihr los. Atemlos stand er da, sein Brustkorb hob und senkte sich wie nach einem anstrengenden Lauf. Er starrte sie an, als müsste er sich ihren Anblick für immer in die Erinnerung einbrennen.
»Federica«, keuchte er, »das ist Wahnsinn, was wir hier machen. Du musst weg! So schnell wie möglich! Und auch ich bringe mich in Gefahr, wenn man mich entdeckt.«
Wieder zog er sie an sich, um erneut ihren Mund, ihre Zunge, ihre feuchte, wohlige Wärme zu suchen, dann machte er sich gewaltsam von ihr los.
»Leb wohl, amore mio , leb wohl! Versprich mir, dass du vorsichtig bist, was immer du tust!« Er hatte die Hände auf ihre Schultern gelegt und blickte sie ernst und traurig an. »Und glaub mir, es zerreißt mir das Herz, dass ich dich schon wieder fortschicken muss. Aber wir haben keine andere Wahl, verstehst du? Wir werden uns wiedersehen, keine Angst! Alles wird gut - vertrau mir!«
Er lächelte und hob ihr Kinn, um ihr in die Augen zu schauen.
»Mein Versprechen aus Köstritz habe ich doch auch gehalten, oder? Ich habe dich gefunden, wenn uns auch keine Zeit miteinander vergönnt war. Aber es wird nicht noch einmal so lange
dauern, bis ich mich bei dir melde, ich bin nicht noch einmal so dumm, den falschen Leuten zu vertrauen. Das verspreche ich dir, hörst du? Das verspreche ich dir …«
Sie wollte etwas erwidern, ihn fragen, wen er mit den falschen Leuten gemeint hatte, wollte ihm sagen, dass sie ihn liebte, dass sie niemals einen anderen Mann so geliebt hatte und so würde lieben können wie ihn, dass sie ihr ganzes Leben mit ihm verbringen wollte, egal wo und wie, trotz des Kindes eines anderen, das sie unter dem Herzen trug, trotz ihrer großen Leidenschaft, der Malerei, die sie
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