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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Sie schien den langatmigen Ausführungen ihres als Beduinen verkleideten Gesprächspartners mit größtem Interesse zu lauschen, aber Friederike glaubte zu erkennen, dass sie sich unendlich langweilte und zugleich beunruhigt war wegen der Gästekonstellation an der königlichen Tafel. Wie gern hätte sie sich jetzt mit ihr unterhalten, statt neben dem König zu sitzen, ihr die völlig unbegründete Sorge genommen, dass ausgerechnet sie ihre Nachfolgerin in dessen Bett werden würde, mit ihr über den aktuellen Stand bei der Entwicklung der Porzellanfarben geplaudert und neue Maltechniken erörtert. Vielleicht hätte die Pompadour sogar Verständnis für ihre Situation als unverheiratete Schwangere gehabt? Und sicher hätte sie einen Rat gewusst, wie Giovannis merkwürdiges Verhalten zu interpretieren sei und wie sie, Friederike, am besten darauf reagierte.
    »Madame, Sie müssen verzeihen«, riss der Mann an der Seite der Contessa sie aus ihren Grübeleien, »aber mir scheint, wir kennen uns von irgendwoher!«
    Er hatte mit schwerer Zunge gesprochen, aber so laut, dass auch die anderen am Tisch aufmerksam geworden waren. Obwohl er seine Frage auf Französisch gestellt hatte, war sein sächsischer Akzent deutlich herauszuhören gewesen.
    Friederike hatte zwar registriert, dass er sie die ganze Zeit schon unverhohlen von der Seite angestiert hatte, während er ein Glas Wein nach dem anderen in sich hineingekippt und kaum etwas Festes zu sich genommen hatte, aber nun war sie doch zutiefst erschrocken.

    »Monsieur, Sie müssen entschuldigen, aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, Ihnen je zuvor in meinem Leben begegnet zu sein«, sagte sie und bemühte sich einen höflichen, aber deutlich reservierten Ton anzuschlagen, um bloß keine weiteren Fragen aufkommen zu lassen.
    » Sì, sì , ich glaube auch, ich habe sie schon mal gesehen«, mischte sich nun die Contessa ins Gespräch, die Friederike einfach überging und direkt zu ihrem Begleiter sprach. »Ma chissà dove? Una bella come lei non si vede ogni giorno, vero?«
    Als wollte sie seinen Widerspruch herausfordern, blickte sie den König aus großen grünen Augen treuherzig an.
    »Findet Ihr nicht auch, Majestät, dieses Küken neben Euch ist wirklich ganz entzückend, nicht wahr?«
    »Entzückend ist gar kein Ausdruck!« Der König hatte Friederike unterm Kinn gefasst und ihr Gesicht zu sich hingedreht. »Schauen Sie sich die elegante Linienführung ihrer Wangenknochen an! Wunderschön! Und dieser schlanke Hals erst!«
    Wie ein Kunstsachverständiger, als wäre sie eine Marmorskulptur, deren vollendete Gestaltung es zu erklären galt, war er mit Zeige- und Mittelfinger sacht über ihr Profil gefahren. Scheinbar ohne jeden Hintergedanken ließ er dann seine Hand über ihren Hals hinabgleiten und wie absichtslos auf ihrem ausladenden Dekolleté ruhen.
    »Ganz zu schweigen von diesen beiden prachtvollen Äpfelchen …«
    Die Contessa und ihr Begleiter brüllten vor Lachen, als hätte der König einen besonders guten Witz gemacht. Schon wieder drehten sich alle Köpfe zu ihnen um.
    Friederike bekam es nun wirklich mit der Angst zu tun. Was erlaubte er sich da? So eine Unverschämtheit! Aber was sollte sie tun? Sie konnte doch nicht einfach die Hand des Königs mit einer brüsken Geste wegstoßen, wie sie es bei jedem anderen gemacht hätte, der so zudringlich geworden wäre! Aber wenn sie ihn gewähren ließ, würde sie ihn dann nicht nur noch mehr ermutigen?
Hilfesuchend schaute sie in Richtung der Pompadour. Doch in dem eisgrauen Blick der Marquise las sie nichts als Ablehnung und Verachtung.
    Als der König nun vor aller Augen Anstalten machte, mit beiden Händen ihre Brüste zu umfassen, war das Maß jedoch voll: Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf.
    »Was bildet Ihr Euch ein? Nur weil Ihr der König seid …«
    Bebend vor Zorn raffte sie ihre Röcke und wollte davonstürzen, als eine eiserne Hand ihren Arm umfasste.
    »Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne, meine Liebe! Dieses Gesicht, diese panikerfüllten Züge habe ich doch schon einmal gesehen …«
    Der Mann hatte kaum die Stimme gehoben, aber Friederike hatte das Gefühl, der ganze Ballsaal würde jedes einzelne Wort mitbekommen.
    »In Köstritz nämlich, fast zwei Jahre ist das jetzt her«, grinste der Sachse. »Im ›Kranich‹. Die Dachkammer. Bianconi …«
    Er schnalzte genüsslich mit der Zunge und sah Beifall heischend in die Runde.
    »Ja, und auch an die zwei Äpfelchen erinnere

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