Die Porzellanmalerin
Höroldt
arbeitete, dass Georg selbst gar nichts tat und stattdessen seine Kenntnisse verkümmern ließ.
»Du darfst das niemandem weitersagen, Charlotte: Aber alles, was angeblich Georg malt, ist von mir.«
Den letzten Halbsatz hatte sie fast geflüstert.
»Was? Das kann nicht sein! Selbstverständlich ist Georg ein Maler!«, rief Charlotte empört aus.
»Natürlich ist Georg ein Maler, aber er malt nicht. Das, was die Manufaktur von uns bekommt, ist alles von mir!«
Aus zusammengekniffenen Augen blickte Charlotte die Freundin an.
»Du willst mich nur von Georg fernhalten, Friederike!«, entgegnete sie langsam. »Das glaube ich nicht, was du da erzählst. Das kann nicht sein! Du willst ihn mir nur madig machen.«
»Das ist die Wahrheit! Wir haben es nur niemandem gesagt, Charlotte. Nicht einmal unsere Eltern wissen davon.«
»Das hätte mir Georg doch erzählt! Er kann doch sonst nichts für sich behalten!« Wieder lächelte sie verklärt. »Zum Glück behält er nichts für sich, das macht ihn ja gerade so amüsant. Weißt du, gestern hat er …«
»Ich habe ihm versprechen müssen, mit niemandem darüber zu reden«, unterbrach Friederike sie ungeduldig. »Dafür hat er mir das Malen beigebracht. Nur über ihn komme ich an all die Porzellanstücke zum Bemalen ran. Das Arrangement ist für uns beide von Vorteil. Ich habe es nur dir anvertraut, und du darfst es auf keinen Fall weitererzählen.«
Charlotte schwieg. Friederike merkte, dass die Freundin überhaupt nicht mehr wusste, wem sie glauben sollte, ihr oder Georg. Beide nahmen sie sich ein Stückchen Konfekt und versanken in unbehagliches Schweigen. Sie hatten sich auf einmal nichts mehr zu sagen. Friederike konnte nur hoffen, dass diese peinliche Stille einmalig war und sie schon am nächsten Tag alles wieder wie immer zu besprechen vermochten. Obwohl Charlotte zu ihrem heimlichen Groll bei Männern besser ankam
als sie selbst, hatte sie sich immer als treue Freundin erwiesen. Stets hatten sie zueinander gehalten und über alles reden können.
»Nun, dann gehe ich mal wieder.« Friederike stand auf. »Wir sehen uns später im Salon von Frau Eisenstädt!«
Aber in diesem Moment wusste sie bereits, dass sie sich für den Abend entschuldigen lassen würde. Ihr war nicht nach Plaudern zumute. Mit Charlotte hatte sie Mitleid. Das würde nicht gut gehen, so viel war klar.
Am nächsten Morgen machte sich Friederike auf den Weg zur Albrechtsburg in die Porzellanmanufaktur, um mit Direktor Helbig zu sprechen. Er war ihr vertrauter als Höroldt, deshalb wollte sie ihn und nicht den Obermaler um eine offizielle Lehrstelle bitten.
Es war ein wunderschöner Herbstmorgen. Die Luft in den engen, dunklen Gassen war kühl, aber die Sonne zeigte sich noch einmal vor ihrem langen Winterschlaf, sodass es gegen Mittag sicher warm sein würde. Man konnte fast meinen, es wäre September und nicht November. An einem solchen Tag musste alles gelingen, was man anpackte, dachte Friederike. Obwohl der Vortag von unangenehmen Ereignissen überschattet gewesen war, blickte sie zuversichtlich in die Zukunft. So schnell ließ sie sich nicht entmutigen. Sie würde einfach darauf bauen, dass alles gut werden würde. Für das Gespräch mit dem Kommerzienrat fühlte sie sich bestens gewappnet, fast freute sie sich darauf.
Als sie völlig außer Atem den Burgberg erklommen hatte und auf dem Domplatz stand, der sich innerhalb der hohen Schlossmauern befand, schielte sie unauffällig zu dem Haus hinüber, in dem Caspar Ebersberg wohnte. Niemand war zu sehen. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf die umliegenden Weinberge.
Die kahlen Reben reckten ihre knorrigen Zweige der Novembersonne entgegen. Noch unter August dem Starken war die Porzellanmanufaktur 1710 absichtlich vom großen, geschwätzigen Dresden ins kleine Meißen verlegt worden. Hier würde man jeden Spion sofort als solchen erkennen, hatte der König gehofft. Eigentlich hatte der flüchtige Berliner Apothekergeselle Johann Friedrich Böttger mithilfe des Chemikers Ehrenfried Walther von Tschirnhaus für den sächsischen Kurfürsten und polnischen König Gold herstellen sollen, erinnerte sich Friederike an die Erzählungen des Vaters. Die unzähligen Kriege, Feste und Mätressen kosteten viel Geld, das August der Starke nicht hatte. Dreizehn Jahre hatte der Kurfürst Böttger gefangen gehalten, weil dieser behauptet hatte, er könne unedle Metalle in Gold umwandeln. Doch den Stein der Weisen, jene geheimnisvolle
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