Die Porzellanmalerin
Gehalt gefunden, als sie sich zu ihrem zweiten Bewerbungsgespräch in die Höchster Porzellanmanufaktur aufgemacht hatte. Josefine hatte sie bei ihrem Antrittsbesuch in Friederikes neuem Zuhause wenige Tage nach der Hochzeit zu diesem Schritt überredet.
»Du muss jetzt endlich in die Manufaktur gehen und dich dort vorstellig zeigen, Friedrich!«, hatte die Freundin sie gedrängt, kaum dass sie die Räumlichkeiten im Hause Bogenhausen besichtigt und in Friederikes Bibliothek zur Teestunde Platz genommen hatte. Wie lange sie damit noch warten wolle, hatte sie gefragt, einmal mehr, da es doch gelte, den Alten vor Caspar und Georg zu warnen. Josefine hatte ihre Begründung nicht akzeptiert, dass sie seit ihrer Hochzeit einfach noch keine Zeit gefunden habe, sich nach Höchst aufzumachen. Sie hatte so lange insistiert, bis Friederike misstrauisch geworden war, vor allem als Josefine über eine kleine Ewigkeit hinweg emsig versucht hatte, einen nicht vorhandenen Fleck von ihrer Jupe wegzureiben, um ihr nur ja nicht in die Augen sehen zu müssen. Irgendwann war herausgekommen, dass Benckgraff längst Bescheid wusste, und zwar nicht durch Caspar oder Georg, wie ihr erster Verdacht gewesen war, sondern durch Josefine und Simon Feilner.
»Josefine, du willst mir doch nicht sagen, dass du dich wieder mit Simon triffst?«, hatte sie die Freundin angefahren.
Doch diese hatte ihr nur ein strahlendes Lächeln geschenkt und schließlich von ihrer neu entfachten Liebe berichtet. Irgendwann sei zwischen Simon und ihr natürlich auch das Stichwort »Friederike« gefallen, sodass peu à peu alles ans Licht gekommen sei.
So war Friederike letztlich nichts anderes übrig geblieben, als in Lachen auszubrechen und sich tatsächlich gleich am nächsten Tag auf den Weg in die Manufaktur zu machen. Carl hatte sie wohlweislich nichts davon erzählt. Als Begründung für ihren Tagesausflug hatte sie behauptet, noch ein paar Dinge bei Josefine abholen zu müssen. Ein wenig blümerant war ihr dann doch gewesen, als sie schließlich vor Benckgraffs Tür gestanden und zögernd angeklopft hatte. Zum Glück war sie auf dem Weg in den ersten Stock der Porzellanfabrik weder Caspar noch sonst einem ehemaligen Kollegen begegnet, der ihr unangenehme Fragen hätte stellen können.
»Herein, wenn’s kein Schneider ist!«, hatte der Alte hinter der Tür geknurrt. Er hatte selbstverständlich längst gewusst, dass sie es sein würde: Simon Feilner hatte ihr Kommen verabredungsgemäß angekündigt.
»Allenfalls eine Schneiderin …«, hatte sie erwidert und die fünf Schritt bis zu seinem Schreibtisch mit den riesigen Papierstapeln rechts und links forschen Schrittes zurückgelegt.
»Da bin ich wieder, Herr Benckgraff«, hatte sie mit fester Stimme gesagt, »allerdings leicht verändert, wie Sie sehen. Und mit einer Warnung, die auszusprechen mir zwar schwerfällt, aber ich denke, zumindest das bin ich Ihnen schuldig.«
Benckgraff hatte beim Anblick ihres dicken Bauches nicht mit der Wimper gezuckt, sondern ihr nur stumm die Hand gereicht. Drei Stunden hatte ihre Unterredung gedauert, in allen Einzelheiten hatte sich der Direktor der Höchster Porzellanmanufaktur erzählen lassen, wie der Arbeitsalltag in dem französischen Konkurrenzunternehmen ablief, welche Rolle die Pompadour und der König dabei spielten, was es denn nun mit der berühmten blauen Farbe auf sich habe und wie sie hergestellt und auf das Porzellan appliziert würde. Auch von ihrem Besuch bei den von Löwenfincks in Hagenau berichtete sie. Zwischendurch war Simon hinzugestoßen, eine gute Stunde später hatte sich wie zufällig ebenso Benckgraffs Schwiegersohn Johannes Zeschinger
zu ihnen gesellt - nur Caspar Ebersberg hatte sich nicht blicken lassen. Wahrheitsgemäß hatte Friederike jede Frage beantwortet, selbst die für den Grund ihrer überstürzten Abreise aus Vincennes oder vielmehr von Schloss Bellevue. Allein die Begegnung mit Giovanni hatte sie ihren Höchster Kollegen verschwiegen.
»Nun …«, hatte Benckgraff trocken geschlussfolgert, als sie ihren Bericht völlig erschöpft beendet hatte. »Hat sich ja doch gelohnt, Ihr kleiner Ausflug nach Frankreich. Den französischen König für sich einnehmen kann nicht jeder - weder als Porzellanmaler noch als Frau. Kompliment, Kompliment …« Sein Tonfall hatte sich ein wenig verändert, als er noch einmal nachgefragt hatte: »Aber was hat es mit dieser geheimnisvollen Warnung auf sich, von der Sie vorhin
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