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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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nicht fassen. Was war nur in Caspar gefahren? Sie hatte doch bloß ein freundschaftliches Gespräch beginnen, an ihre gemeinsame Meißener Vergangenheit anknüpfen wollen.
    Aus schmalen Augen starrte der Modelleur sie an.
    »Weißt du, was Georg mir erzählt hat? Dass du es immer schon darauf angelegt hättest, Karriere zu machen, statt dich in deine Rolle als Frau zu fügen - auf Teufel komm raus und mit Methoden, die jede Straßendirne erröten lassen würden. Erst hast du ihn missbraucht, indem du dich bei ihm schlau gemacht hast, wie man überhaupt malt. Dann hast du dich hinter seinem Rücken an Helbig rangeschlichen, weil du ihn, deinen eigenen Bruder, kaltstellen wolltest. Als Helbig nicht angebissen hat, musstest du nach Höchst fliehen, wo du dich schließlich mir an den Hals geworfen hast, weil Benckgraff sowieso schon jenseits von Gut und Böse ist und Feilner offenbar mehr auf Kurven steht - wie man ja an seiner Liebschaft mit deiner Freundin Josefine sieht. Und dann, als du bei mir nicht landen konntest, hast du wieder die Flucht nach vorn ergriffen und die Kollegen in Frankreich heiß gemacht …«
    Das also war seine Version der Ereignisse jenes Sommers! Erst versuchte er, sie zu vergewaltigen, dann behauptete er, sie habe
sich an ihn herangemacht, noch dazu ohne Erfolg. So etwas Lächerliches hatte sie noch nie gehört. Sie musste sich zwingen, ihre Empörung zu zügeln.
    »Ist ja interessant, lieber Caspar, wie es dir gelungen ist, deinen Vergewaltigungsversuch so umzudeuten, dass ich die Hure und du der Heilige bist! Aber lassen wir das Thema, deine männliche Eitelkeit scheint mir zu angekratzt zu sein, als dass ich dich weiter damit quälen wollte.«
    Sie hatte die Hände vor der Brust verschränkt und schaute ihn herausfordernd an.
    »Was ich viel spannender finde: Du scheinst mit meinem Bruder ja in einem ziemlich regen Austausch zu stehen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Georg ständig hier in Höchst Station macht - aber doch wohl kaum, um sich mit Benckgraff auszutauschen, nachdem dieser ihm einen Korb gegeben hat und Georg ihn jetzt eigentlich nur noch hassen kann. Nein, mein Bruder kommt nach Höchst, um seinen alten Freund Caspar Ebersberg zu treffen! Und bestimmt unterhaltet ihr euch bei euren Saufabenden nicht die ganze Zeit über mich und meine Undankbarkeit euch beiden gegenüber. Sondern über die Manufaktur und Benckgraffs Pläne für die Zukunft!« Sie senkte ihre Stimme um eine winzige Nuance. »Ich möchte wetten, Georg bezahlt dich dafür, dass du ihm Höchster Betriebsgeheimnisse anvertraust …«
    Die letzte Bemerkung hatte sie aufs Geratewohl gemacht. Sie hatte keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass Caspar tatsächlich Betriebsgeheimnisse weitergab, aber er hatte sie mit seinen infamen Unterstellungen so in Rage gebracht, dass sie es ihm nun mit gleicher Münze heimzahlen wollte.
    Caspar war bei ihren Worten kreidebleich geworden.
    »Woher weißt du das?«, zischte er. »Wer hat dir davon erzählt? Georg etwa?« Seine dunklen Augen hatten einen ungesunden Glanz angenommen, sein Blick flackerte.
    Sie hatte also ins Schwarze getroffen mit ihrer Bemerkung. Fast tat Caspar ihr leid, wie er so vor ihr stand, unruhig, nervös
und sich immer bewusster werdend, dass sie ihn in der Hand hatte und ihr Wissen jederzeit gegen ihn verwenden konnte. Aber sie hatte jetzt keine Lust, Milde zu zeigen, sie wollte ihn noch ein wenig zappeln lassen. Schließlich hatte er sich ihr gegenüber extrem unverschämt verhalten und wahrscheinlich nicht nur in Georgs Anwesenheit jede Menge Lügen über sie verbreitet. Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihre Beine waren dick und schwer. Aber sie konnte sich jetzt nicht hinsetzen und die Füße hochlegen - erst musste sie diesen Kampf zu Ende bringen.
    »Georg hat mir noch viel mehr erzählt«, pokerte sie weiter. »Er hat damit geprahlt, du würdest ihm Kopien deiner Höchster Arbeiten verkaufen, die er - mit leicht veränderter Bemalung, sodass der Betrug zumindest für Laien nicht sofort erkennbar ist - als Meißener Modelle ins Ausland verkaufen würde. Deutlich preisgünstiger, als wir das hier tun, versteht sich. Und dann hat er noch gesagt, du hättest ihm den Kontakt zu einem unserer Brenner vermittelt, den er dafür bezahlen würde, absichtlich Fehlbrände herbeizuführen …«
    Sie wunderte sich über sich selbst, dass sie so kaltblütig lügen konnte. Aber offenbar hatte sie mit ihren blinden Verdächtigungen schon wieder

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