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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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würde sie am Monatsende in ihrer Lohntüte haben.
    Friederike seufzte und drehte sich schwerfällig auf ihrer Matratze um. Die Bettfedern quietschten geräuschvoll. Carl an ihrer Seite schlief weiterhin den Schlaf der Gerechten. Sein Atem ging tief und regelmäßig. Ab und zu gab er ein leises Stöhnen von sich. Natürlich hatte er nicht annähernd so euphorisch auf ihre Ankündigung reagiert, dass sie wieder arbeiten wolle, wie Simon Feilner es Benckgraff gegenüber dargestellt hatte.
    »Was soll meine Familie dazu sagen, wenn meine Frau arbeitet und noch dazu außer Haus wohnt, statt hier an meiner Seite zu sein?«, war seine erste Reaktion gewesen.
    »Es ist doch nur bis zur Geburt«, hatte sie besänftigend erwidert
und sich an ihn geschmiegt. »Sie brauchen mich dort, weißt du? Dringend! Ich kann sie doch jetzt nicht hängen lassen, mitten im Weihnachtsgeschäft. Du weißt doch, wie fatal das ist, wenn man wichtige Kunden nicht beliefern kann.«
    Dieses Argument hatte ihn schließlich überzeugt. Auch sein Bruder Emanuel hatte sich erstaunlich einsichtig gezeigt, zumal er schon seit Längerem den Plan hegte, wie er ihr in einer stillen Stunde anvertraut hatte, nicht nur auf privater Ebene mit den Höchstern Geschäfte zu machen, sondern das Warenangebot der Firma Bogenhausen langfristig auch um Porzellan zu bereichern, wobei sie ihm ja sicher eine gute Beraterin sein könne. Allein die beiden Frauen im Haushalt waren gar nicht einverstanden mit der neuen Regelung gewesen. »Das Kind, wenn dem armen Kind etwas passiert …«, hatte Margarethe Bogenhausen immer wieder vor sich hin gemurmelt, war aber schließlich von ihren beiden Söhnen zum Schweigen gebracht worden. Auch sie war Kaufmannswitwe genug, um die Notwendigkeit von Friederikes Einsatz für die Porzellanfabrik zu verstehen. Nur Luise hatte die Lippen aufeinandergepresst und sich wortlos auf dem Absatz umgedreht, nachdem sowohl ihr Hinweis auf das Gerede der Nachbarn als auch auf das bevorstehende Bankett der Bogenhausens, das sie ja nun wohl ganz allein vorzubereiten hätte, bei den Brüdern auf taube Ohren gestoßen war.
    Ding dong, ding dong … Friederike zählte die Schläge der alten Pendeluhr im Flur. Sechs Uhr schon! Jetzt hatte sie doch die ganze Zeit vertändelt. Wenn sie um acht in Höchst sein wollte, musste sie sich beeilen. Das Marktschiff würde um sieben Uhr ablegen, wenn es denn ausnahmsweise einmal pünktlich abfuhr. Sie hatte vergessen, Carl am Vorabend noch einmal daran zu erinnern, dass sie die nächsten drei Tage bei Josefine nächtigen würde, aber wenn sie ihn jetzt aufweckte, um ihm das zu erzählen, würde sie mit Sicherheit zu spät zum Mainufer kommen und das Schiff verpassen. Sie würde ihm einen Zettel schreiben und ihn bitten, sie am Mittwochabend bei Josefine abzuholen.

    Ein leises Ächzen ging über ihre Lippen, als sie sich aus dem Baldachinbett hievte. Dieser dicke Bauch war aber allmählich wirklich unhandlich! Sogar beim Malen störte er sie, wenn er sich zwischen sie und den Arbeitstisch schob, sodass sie nur mit ausgestrecktem Arm an ihre Malutensilien kam. Zum Glück war es ja nur noch eine Frage der Zeit, bis dieser Zustand ein Ende hatte. »Noch gut vier Wochen« hatte die Hebamme bei ihrer letzten Untersuchung am Vortag gesagt.
    Was danach kam? Friederike wusste es nicht. Sie hatte es bisher auch eher vermieden, sich groß Gedanken über ihre Zukunft als Mutter zu machen. Sie freute sich auf das Kind, das stand fest, und hoffte inständig, dass es ein Junge sein würde - zum einen, weil sie diesbezüglich Carl gegenüber den Mund so voll genommen hatte, zum anderen, weil ein Junge einfach bessere Chancen im Leben haben würde, das zu tun, was ihm wirklich lag und behagte. Davon konnte sie, alias Friedrich Christian Rütgers, schließlich ein Lied singen. Ihre Schwiegermutter hatte es jedenfalls längst aufgegeben, sich mit ihr über Kinderkleidung, die richtige Wiege und die bestmögliche aller Ammen zu unterhalten. Sie wollte ohnehin keine Amme, sie wollte ihr Kind selbst stillen. Immer wieder hatte sie gehört und gelesen, dass die eigene Muttermilch das Beste für das Kind sei. Außerdem konnte man nicht erneut schwanger werden, solange man stillte - und ein zweites Kind wollte sie vorerst auf keinen Fall. Ihr war klar, dass sie mit diesem Wunsch eine Grenze überschritt, ja sogar ein Tabu brach, wie die Schwägerin ihr einreden wollte, aber das war ihr gleich. Es stimmte einfach nicht, dass nur

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