Die Porzellanmalerin
exotischen Gewürzpflanzen, das in verschiedenen Farben variiert wurde -, war Emanuel am nächsten Morgen losgezogen, die entsprechenden Malutensilien und Farben zu besorgen, und sie hatte ihre Bibliothek in eine Werkstatt umgewandelt. Täglich in den frühen Abendstunden kam er nun bei ihr vorbei, um Nachschub zu bringen, die fertigen Teile zum Brennen abzuholen oder sich »von ihren Fortschritten zu überzeugen«, wie er behauptete. Aber sie wusste genau, dass er in Wirklichkeit nur einen Vorwand suchte, sich mit ihr unterhalten zu können. Auch sie war dankbar für die Abwechslung, die der blitzgescheite Gesprächspartner ihr bot, wenngleich er die Dinge des Lebens aus einer rein kaufmännischen Perspektive betrachtete. Doch zumindest schien er ihr, anders als Carl behauptet hatte, von keinerlei Vorurteilen geleitet und war überdies sowohl politisch als auch gesellschaftlich immer bestens unterrichtet. Nur die merkwürdigen Blicke, die er ihr gelegentlich zuwarf, irritierten sie, vor allem, wenn sie sich - was gelegentlich in ebendiesen Abendstunden vorkam - den kleinen Ludwig selbst an die Brust legte und Emanuel zufällig Zeuge dieses intimen Aktes wurde.
Aber das würde schon nichts weiter zu bedeuten haben, versuchte sie sich dann einzureden, denn auch Carl machte immer große Augen, wenn er sie beim Stillen überraschte. Das war nun einmal ein ungewohnter Anblick, erst recht für einen Mann, der selbst keine Kinder hatte und sich plötzlich mit diesem Wunder der Natur konfrontiert fand.
E ines Morgens klopfte Emanuel ungewöhnlich früh an ihre Zimmertür. Carl war bereits ins Comptoir vorausgegangen, wo es in diesen Tagen besonders viel zu tun gab, Ludwig schlummerte selig in seiner Wiege, und auch Friederike war noch nicht lange aus den Federn gekrochen. Sie hatte sich lediglich ihr Negligé übergeworfen; ihr Haar war noch nicht frisiert und fiel ihr ungebändigt über Schultern und Rücken.
»Entschuldige die frühe Störung, liebe Schwägerin«, begrüßte Emanuel sie mit leicht belegter Stimme, »aber es ist ein Brief für dich abgegeben worden, der mir nicht ganz unwichtig erscheint. Immerhin trägt er Siegel und Anschrift des sächsischen Kurfürsten.«
Mit einem Gefühl, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen, griff sie nach dem Brief, den er ihr reichte. Schweigend starrte sie auf das gefaltete Büttenpapier, das mit rotem Lack versiegelt war. In der Mitte des Siegels prangte ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen und heraushängender Zunge - sie konnte sich noch gut an das Wappen des Kurfürsten erinnern, schließlich zierte es auch ihr eigenhändig gefälschtes Reisedokument. Die großen, geschwungenen Buchstaben formulierten eindeutig ihren Namen: »Madame Carl Bogenhausen, née Simons«.
Wer um Himmels willen mochte ihr diesen Brief geschrieben haben?, fragte sie sich beunruhigt. Hoffentlich bedeutete er nichts Böses, etwa ein Unglück, das ihren Eltern geschehen war. Oder vielleicht beinhaltete er die Nachricht, dass Georg wegen seiner betrügerischen Machenschaften in Meißen zu lebenslanger Festungshaft verurteilt worden war?
»Danke, Emanuel«, flüsterte sie kaum hörbar und ließ sich auf den Hocker vor ihrem Frisiertisch fallen.
Sie achtete nicht weiter auf den Schwager, der unschlüssig noch einen Moment im Raum stehen geblieben war, bevor er zögerlich dem Ausgang entgegenstrebte. Mit fliegenden Fingern brach sie das Siegel und faltete den mit derselben eleganten Handschrift gefüllten Bogen auseinander.
» Carissima …«
Nein, das konnte nicht sein! Der Schweiß trat ihr aus allen Poren, der Atem stockte ihr. » Carissima « - ein einziger Mensch auf der ganzen Welt pflegte sie so anzureden … Nein, das konnte nicht sein!
Ihre Finger zitterten, als sie das eng beschriebene Blatt überflog. Sie verstand kaum die Bedeutung der Worte, so aufgewühlt war sie, so sehr drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Aber der Brief war tatsächlich von ihm, von Giovanni, zweifellos. Wie hatte er sie gefunden? Warum meldete er sich auf einmal bei ihr? Ausgerechnet jetzt, nach so einer langen Zeit?
»Wann werden wir uns wiedersehen, Geliebte?«, hieß es in dem Brief. Und dass er, Giovanni Ludovico Bianconi, ihr sein Herz schenken wolle, wenn sie zu ihm käme, nach Corvey. In die Nähe von Fürstenberg, wo der Herzog von Braunschweig wenige Jahre zuvor eine Porzellanmanufaktur hatte einrichten lassen …
Friederike hob den Kopf. Sie starrte ihr Spiegelbild an, ohne
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