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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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irgendetwas zu sehen.
    » Ardentissimamente , Giovanni«, endete die Nachricht. Sie verstand kaum Italienisch, aber so viel konnte sie vom Französischen ableiten: »Leidenschaft«, »Sehnsucht«, »Verzehren«, »Brennen«, all dies schwang in seinem Abschiedsgruß mit.
    » Ardentissimamente , Giovanni« - wiederholte sie laut. Sie lauschte dem Klang der Worte nach, las sie noch einmal, zweimal, zum Schluss jubelte sie sie geradezu heraus, wie einen Freudenschrei. Er hatte sie gefunden, Giovanni hatte sie gesucht und
gefunden, weil er ohne sie nicht sein konnte, weil er sie liebte und sich nach ihr verzehrte. Giovanni, Giovanni, Giovanni!
    Wieder hob sie den Kopf, als sie ein leises Geräusch hinter sich hörte. Sie sah ihr Spiegelbild, ihre aufgelöste Frisur, die geröteten Wangen, den glänzenden Blick.
    Und noch etwas sah sie in dem angelaufenen Kristall: dass die Tür zu ihrem Schlafzimmer nicht fest verschlossen war, wie sie angenommen hatte, sondern einen Spaltbreit offen stand.
    Und durch diesen Spalt erkannte sie die dunkle Silhouette jenes Mannes, der schon die ganze Zeit hinter der Tür gestanden und sie beobachtet haben musste. Der Zeuge erst ihres Erschreckens, dann ihrer Verzückung geworden war, der gehört hatte, wie sie den fremden Männernamen immer wieder vor sich hin gesprochen hatte, zunächst leise und stockend, später laut und jubilierend quer durch den Raum.
    »Warte, ich erkläre es dir!«, wollte sie rufen, aber da hatte sich der Schatten schon zurückgezogen, und die Tür zum Korridor fiel endlich ins Schloss.

    Die nächsten drei Tage sah sie weder Carl noch Emanuel. Carl befand sich wieder einmal auf einer Geschäftsreise. Friederike hatte vergessen, wohin er gefahren war, während ihr niemand Näheres über Emanuels Verbleib gesagt hatte. Es war ihr auch vollkommen gleichgültig, sie befand sich noch immer gänzlich im Bann von Giovannis Brief und seinen Worten, die ihre längst begrabenen Hoffnungen schlagartig wieder hatten wach werden lassen. Giovanni lebte, er war frei, und er liebte sie, nur sie allein. Und er wollte sie so bald wie möglich wiedersehen …
    Aber ob sie ihn auch sehen wollte? Oder besser: Ob sie ihn sehen durfte? Sie wandte den Blick von den kahlen Hortensienzweigen in dem kleinen Innenhof ab und drehte sich in ihrem Ledersessel vom Fenster weg in den Raum hinein. Sie ließ ihre
Augen über die zierlichen Möbel wandern, die Carl für sie ausgesucht hatte, über die im ganzen Zimmer verteilten Kerzenleuchter und die Pflanzen- und Landschaftsstiche an den altrosa tapezierten Wänden. Ihr Blick glitt über die hohen Regale rechts und links neben Fenster und Tür, in denen seit einigen Wochen keine Bücher mehr standen, sondern unzählige Porzellanteile in den unterschiedlichsten Formen und Stadien: roh gebrannte Teller, halb bemalte Figuren, fertige Tassen und Kaffee- oder Teekannen, die nur darauf warteten, von ihrem Auftraggeber Emanuel abgeholt zu werden. Der Sekretär, an dem die Dame des Hauses, so war es gedacht, ein paar höfliche Briefe hätte schreiben sollen, war überladen mit Malutensilien. Sogar auf dem Boden standen die Gefäße mit den Pigmenten; mehr als einmal war sie schon über ein solches gestolpert und hatte das Pulver auf dem Boden verstreut, wo es trotz heftigen Scheuerns bunte Flecken auf dem hellen Holzboden hinterlassen hatte.
    Wenn sie Giovanni wiedersah, würde sie all das aufgeben müssen - mit einer Gewissheit, die sie selbst erstaunte, wusste sie plötzlich, dass es keine Alternative dazu gab. Sie würde ihn nicht treffen können, um sich dann ein drittes Mal von ihm zu verabschieden, nein, eine neuerliche Begegnung mit Giovanni würde sie endgültig in seine Arme treiben. Für immer und alle Zeiten. Sie brauchte sich nichts vorzumachen: Jeder zweite Gedanke, den sie seit Erhalt seines Briefes gehegt hatte, galt ihm, mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie seine Berührung herbei. Mit fliegenden Fahnen würde sie das Lager wechseln, die Seine werden, Mann und Kind vergessen.
    Friederike erschrak. Was stellte sie da für Überlegungen an? Würde sie wirklich Ludwig aufgeben können, um mit Giovanni zusammenzuleben? Ihren über alles geliebten Sohn?
    Ihr Blick fiel auf die kleine Holzkutsche unter ihrem Schreibtisch, mit der Ludwig am Vormittag gespielt hatte. Wie verlassen sie dalag, ein lebloser kleiner Gegenstand, der nur dann seine Berechtigung zu entfalten schien, wenn ein Kind mit ihm
spielte. Ihre Finger nestelten an der Kette

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