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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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fünf Meilen hinter Meißen; da vorne liegt Döbeln! Bis Altenburg ist’s noch mal so weit. Wenn Sie schnell sind - und ich Sie hier weglasse, hahaha -, schaffen Sie es bis Mitternacht vielleicht bis Rochlitz.«
    Mutlosigkeit überkam Friederike. Sie hatte zwar noch immer keine Angst vor dem hässlichen Waldschrat, aber sie musste die Zähne fest zusammenbeißen, um nicht wie ein kleines Kind vor lauter Enttäuschung laut loszuheulen.
    »Was denn, was denn«, brummte der Alte plötzlich in einem fast sanften Ton. »So’n junger Kerl wie Sie lässt sich doch von so was nicht ins Bockshorn jagen. Oder …« - er warf ihr einen listigen Blick zu - »bist du vielleicht gar kein Kerl? Irgendwas stimmt doch nicht mit dir …«
    Wieder hatte sich seine grobe Hand mit den krallenartigen Fingernägeln auf die Trense des Roten gelegt, der nervös mit den Hufen scharrte.

    »Lassen Sie sofort mein Pferd los! Und überhaupt - was fällt Ihnen ein, mich zu duzen? Mein Name ist Friedrich Christian Rütgers, Hofmaler an der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen. Falls Sie damit überhaupt etwas anzufangen wissen!«
    Dieses Mal hatte sich ihre Stimme nicht überschlagen, als sie laut geworden war. Sichtlich beeindruckt nahm der Alte die Hand vom Kopf des Wallachs. Offenbar wusste er ganz genau, welche gesellschaftliche Stellung die Meißener Porzellanmaler genossen. Er schien fast so etwas wie Haltung anzunehmen.
    »Ich mein ja nur … Heute Nachmittag hab ich zwei Landjäger in Döbeln gesehen. Die haben nach einem jungen Mädchen gesucht, einer Ausreißerin, etwa in Ihrem Alter. Hätt’ ja sein können …«, murmelte er in seinen Bart.
    Friederike erschrak. So schnell! Das war bestimmt Georg gewesen, der die Polizei auf sie gehetzt hatte. Wahrscheinlich hatte der Stallbursche ihm erzählt, dass sie seine Stiefel angehabt hatte. Georg musste eins und eins zusammengezählt und ihr Vorhaben erraten haben, zumal er sicher auch gleich den Diebstahl seines Geldes bemerkt hatte. Hoffentlich kam er nicht auf die Idee, dass sie nach Höchst unterwegs war!
    Ein Räuspern holte sie in die Gegenwart zurück. Diesen Alten hatte sie ja auch noch am Hals! Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich am besten aus der drohenden Falle befreien konnte, als sie seine krächzende Stimme vernahm:
    »Am besten nehmen Sie die Abkürzung hinter der großen Eiche da vorne. Sehen Sie den Baum? Wenn Sie dahinter links abbiegen und etwa drei Meilen querfeldein in südwestliche Richtung reiten, kommen Sie direkt nach Rochlitz. Die Poststation dort nimmt auch spätabends noch Gäste auf - falls die Wachen Sie überhaupt noch in die Stadt lassen. Im Galopp brauchen Sie vielleicht eine Stunde, höchstens zwei.«
    Der Mann hatte plötzlich klar und deutlich gesprochen, ohne eine Spur von Akzent oder Nuscheln. Auch sein Gesicht erschien
ihr nicht mehr so abstoßend. Sie war fest davon überzeugt, dass er die Wahrheit sprach und sie nicht in die Irre führen wollte. Schnell bedankte sie sich bei dem Fremden und gab ihrem Pferd die Sporen.
    Als sie schon halb bei der alten Eiche angekommen war, fiel ihr etwas ein:
    »Wer sind Sie überhaupt?«, rief sie über ihre Schulter zurück.
    Doch der Mann war längst verschwunden.
     
    D ichter Rauch quoll ihr entgegen, als sie die Tür zum Schankraum aufstieß. Der seltsame Alte hatte recht behalten: Noch vor Mitternacht hatte sie Rochlitz erreicht. Sie hatte Glück gehabt, dass der Wachposten sich bestechlich gezeigt und sie gegen zwei Taler noch in die Stadt hineingelassen hatte. Schnell hatte sie die Poststation gefunden, ihr Pferd in den Stall gebracht, abgerieben und gefüttert und eine winzige Kammer über der Scheune bezogen. Eigentlich war sie viel zu müde, um noch einmal vor die Tür zu gehen, doch der Hunger hatte sie getrieben. Nun stand sie mitten in der verqualmten, nach ranzigem Fett und Männerschweiß riechenden Gastwirtschaft und versuchte, ihre Augen an das plötzliche Licht zu gewöhnen.
    »Bisschen spät, junger Mann! Zu essen gibt es nichts mehr«, keifte eine Frauenstimme, die von hinter der langen Theke zu kommen schien.
    »Nu mach mal halblang, Elfriede, so’nen schmucken Jüngling sieht man hier nicht alle Tage! Was soll’s denn sein, der Herr? Ein kühles Helles und ein Teller Saure Flecken mit Kraut? Ich fürchte, viel mehr kann ich Ihnen um diese nachtschlafende Zeit nicht bieten.«
    Der gemütliche Kahlkopf schien der Wirt zu sein, schlussfolgerte Friederike, die begonnen hatte, ihren Blick

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