Die Porzellanmalerin
Stückchen weiterreiten. Es ist so schön heute!«, erwiderte Friederike betont unbefangen. »Übrigens, Sophie« - ihre Miene wurde ernst - »nimm dich in Acht vor Georg! Ich weiß, dass er dir gefällt. Aber du bist einfach noch zu jung, um es mit ihm aufzunehmen.«
Sie fühlte sich wie eine Spielverderberin, ständig darauf aus, ihrem Bruder die Tour zu vermasseln. Aber was machte Georg auch schon wieder für einen Unsinn - offenbar hatte er die Kleine in ihrer Schwärmerei für ihn noch ermuntert und sie eingeladen, ihn zu besuchen. Ganz vermochte sie sich allerdings des Gefühls nicht zu verwehren, dass Sophie trotz ihres jugendlichen Alters sehr wohl auf sich selbst aufpassen konnte. Sie machte nicht den Eindruck, ein leicht verführbares, wehrloses Geschöpf zu sein.
»Ja, ja, Cousinchen, ich pass schon auf. Aber was ist mit dir los: Du siehst so komisch aus, Friederike!«, entgegnete Sophie. »Was hast du da unter deinem Mantel?«
»Ich war mir nicht sicher, wie kalt es sein würde. Deshalb habe
ich mir mehrere Schichten übereinander angezogen. Ich habe einfach zu viel an, deswegen sehe ich so unförmig aus.«
Friederike wollte das Thema nicht weiter vertiefen, sondern wünschte Sophie eilig einen schönen Tag und gab ihrem Pferd die Sporen. Ein Glück, dass sie nicht mehr da sein würde, wenn man herausfand, dass Sophie allein zu Georg gefahren und sie als die Ältere und Vernünftigere nicht eingeschritten war! Im Hause Simons würde die Hölle los sein - aber das ging sie alles nichts mehr an.
Immer wieder drehte sie sich im Reiten um, weil sie überprüfen wollte, ob ihre Cousine sie noch sehen konnte. Aber Sophie würde ohnehin niemandem etwas von ihrer Begegnung erzählen, beruhigte sie sich schließlich, denn sie war ja selbst in geheimer Mission unterwegs. Und der Kutscher würde auch nichts erzählen, weil Sophie ihn bestochen hatte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihre kleine Cousine eigentlich ganz gern mochte.
Als sie sich wieder umblickte, war die Thalheimer’sche Kutsche hinter einer Kurve verschwunden. Nur die Albrechtsburg mit dem Dom hob sich imposant gegen den blauen Himmel ab. Schnell lenkte sie Tamerlano von der Landstraße weg auf das kleine Wäldchen zu und setzte ihn in Galopp. Sie verspürte keinerlei Gefühlsregung. Das würde erst später kommen.
2. KAPITEL
F riederike hatte beschlossen, die großen Städte wie Leipzig, Weimar, Gera auf ihrer Route nach Höchst links liegen zu lassen und sich lieber an den kleinen und mittelgroßen Ortschaften zu orientieren. Dass sie nicht planlos querfeldein reiten durfte, war ihr schnell klar geworden, hatte sie sich doch innerhalb kürzester Zeit in dem dunklen Wald hinter Meißen hoffnungslos verirrt und war nur dank der freundlichen Auskunft eines zufällig ihren Weg kreuzenden Försters wieder auf den richtigen Pfad gelangt. Der Mann hatte ihr auch geraten, sich in Richtung Rochlitz zu halten, dort fände sie am ehesten ein Quartier für die Nacht.
Sie würde ihr vorläufiges Ziel kaum noch zu einer anständigen Uhrzeit erreichen, das ahnte sie mehr, als dass sie es wirklich wahrhaben wollte. Abgesehen davon, dass ihr auf dem harten Männersattel bereits nach drei Stunden Ritt schrecklich die Knochen weh taten, hatte sie fürchterlichen Hunger und trotz der dicken Handschuhe steif gefrorene Finger. Sie bedauerte nun, dass sie ihre über Georgs Reitdress gezogenen Frauenkleider in dem Wald hinter Meißen abgelegt und in einer Fuchshöhle versteckt hatte. War ihr bei Beginn der Reise noch viel zu warm gewesen, kroch ihr nun die Kälte in die Knochen. Vielleicht war es auch die Müdigkeit, die sie so zittern ließ. Und die Angst, wie sie sich zähneknirschend eingestand. Am liebsten hätte sie an Ort und Stelle ihr Pferd gewendet und wäre wieder in ihr warmes, gemütliches Zuhause zurückgekehrt. Aber das kam nicht in Frage. Nicht nach dem, was vorgefallen war: Charlottes
Verrat, Georgs Ohrfeige, die Abfuhr von Helbig und nicht zuletzt die drohende Zwangsvermählung mit diesem aufgeschwemmten Hamburger Kaufmann.
Was ihre Eltern sich dabei wohl gedacht hatten? Gerade sie, die sie doch am besten wissen mussten, wie erfüllend eine Liebesheirat sein konnte! Friederike schnaubte. Obwohl, korrigierte sie sich dann, in letzter Zeit war der Ton zwischen den beiden auch nicht mehr so liebevoll gewesen. Gewiss, die finanziellen Schwierigkeiten des Vaters trugen nicht gerade dazu bei, die Stimmung im Hause Simons zu heben. Ihr war nicht
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