Die Porzellanmalerin
kommen, Sie sind bestimmt ein ganz wunderbarer Reiseführer!«
»Ja, warum schließen Sie sich uns nicht einfach an, Friedrich?«, pflichtete Bianconi ihr bei. »Allein zu reisen ist in diesen Zeiten nicht ganz ungefährlich, scheint mir, und auch nicht eben angenehm, wenn man es mit Reisegefährten wie diesen
Herren dort« - er wies mit dem Kinn in Richtung Nachbartisch - »zu tun bekommt. Und für uns wäre es natürlich ungleich amüsanter, eine solch charmante Begleitung wie Sie zu haben, die noch dazu wertvolle landeskundliche Hinweise zu geben weiß. Also, was ist, Herr Rütgers, kommen Sie mit? Wir können Ihnen einen Platz in unserer Kutsche anbieten, oder Sie reiten nebenher, so wie ich es die meiste Zeit tue, während die Contessa lieber in ihren Kissen döst und sich irgendwelchen Fantasien hingibt, statt sich die Landschaft anzuschauen.«
Wieder hatten seine Lippen sich zu einem boshaften Lächeln verzogen.
»O, ich wüsste auch, wie ich meine Fantasien Realität werden lassen könnte«, fiel die Contessa ihm eifrig ins Wort. » Vero , Federico?«
Ihr Oberschenkel hatte sich gegen Friederikes Bein gepresst.
»Nun …«
Friederike war hin und her gerissen. Auf die Contessa konnte sie gut verzichten, aber ein, zwei weitere Tage in Bianconis Gesellschaft zu verbringen war mehr als verlockend.
»Nun?«
Der Italiener hatte eine Miene aufgesetzt, die sie nicht zu deuten vermochte. Wollte er wirklich, dass sie mitkam? Um seinetwillen, oder damit die Contessa sich nicht langweilte?
»Sie scheinen Bedenken zu haben, lieber Friedrich. Sagen Sie nicht, Sie setzen genauso wenig Vertrauen in das italienische Volk wie die diese Bauerntölpel neben uns!«
Er hatte absichtlich die Stimme erhoben, mit dem Effekt, dass die drei Männer am Nachbartisch ihr Gespräch unterbrachen und misstrauisch zu ihnen herüberschauten.
»Ich komme mit.« Friederike schob ihren halb aufgegessenen Teller von sich weg und stand auf. »Aber jetzt muss ich dringend ins Bett, sonst wird meine Begleitung morgen sicher kein Vergnügen für Sie beide sein. Abfahrt bei Sonnenaufgang? Und nun gute Nacht, Contessa« - sie ergriff Emilias Hand und deutete
einen flüchtigen Handkuss an - »und auch Ihnen eine gesegnete Nachtruhe, Monsieur.«
Sie nickte ihrem Gegenüber kurz zu und versuchte sich zwischen den beiden Tischen hindurchzuquetschen, als Bianconi sie unversehens am Arm packte. Langsam erhob er sich von seinem Stuhl, ohne den Griff um ihren Arm auch nur eine Sekunde zu lockern. Er ist ja kaum größer als ich, dachte Friederike verwundert, als er dicht vor ihr zu stehen kam.
Bianconi nahm die Hand von ihrem Arm und streckte sie ihr entgegen. Friederike schlug ein. Seine Hand war fest und warm.
»Gute Nacht, mein Lieber!«
Ohne einen Funken Spott in den Augen blickte er sie an. Sein Mund war ernst. Dann ließ er sie gehen.
» Ma adesso basta , Federico, jetzt steigen Sie endlich von Ihrem Pferd herunter und setzen sich zu mir in die Kutsche!«
Die Contessa hatte ihren hübschen rotgelockten Kopf aus dem Karossenfenster gesteckt und einen Schmollmund aufgesetzt. Fast der ganze Morgen war vergangen, ohne dass Friederike sich besonders um sie gekümmert hätte. Kopf an Kopf mit dem Falben Bianconis war Tamerlano munter ausgeschritten, während ihre beiden Besitzer sich angeregt unterhalten hatten.
Friederike hatte erfahren, dass der Bologneser von Hause aus Mediziner und noch nicht lange im Dienst der Contessa war. Er war ein großer Bewunderer und Freund Scipione Maffeis, dessen Drama »Merope« auch Friederike vom Hörensagen kannte, nicht zuletzt weil Voltaire bei seiner rund zwanzig Jahre später erschienenen Fassung der antiken Tragödie angeblich von ihm abgeschrieben hatte. Auch er selbst, vertraute Bianconi ihr an, habe sich gelegentlich in der Schriftstellerei versucht, aber mehr als ein paar gelehrte Texte habe er bisher nicht zustande gebracht.
»Nun, seit die Contessa meine Dienste beansprucht, habe ich
kaum mehr eine Feder in der Hand gehalten, Sekretär hin oder her«, lachte er plötzlich, und Friederike meinte, eine Spur Bitterkeit in seiner Stimme vernommen zu haben. Doch sie wagte nicht nachzufragen, was es mit dem Verhältnis zwischen ihm und Emilia auf sich hatte, sondern erzählte von Meißen, der Porzellanmanufaktur und ihrem Zerwürfnis mit Georg, der sie nur ausgenutzt und für sich habe arbeiten lassen, während er die Lorbeeren für ihre Kunst erntete.
»Warum haben Sie denn nicht versucht, unter
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