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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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gegenüber, sondern auch in seiner Physiognomie äußerte. Oder in seinem Gesichtsausdruck - sie wusste es nicht genau. Auf jeden Fall hatte sie ihn vom ersten Moment an als unaufrichtig empfunden. Und trotzdem hatte sie sich von ihm küssen lassen, war ganz verrückt nach ihm und seinen Berührungen gewesen. Und umso mehr enttäuscht worden, als er sich nach ihrem Techtelmechtel im Irrgarten wochenlang nicht mehr bei ihr gemeldet hatte.
    Der Mann neben ihr auf dem Kutschbock war weder schwammig, noch wirkte er verlogen auf sie. Im Gegenteil - je länger sie mit ihm zusammen war, umso näher schien er dem Ideal ihrer Jungmädchenträume zu kommen. Ein Edelmann, ein Kavalier, ein Ritter, der die Frau seines Herzens auf Händen trug. Aber so war Bianconi gar nicht, wies sie sich in Gedanken zurecht, sie hatte in den wenigen Stunden ihrer Bekanntschaft schon oft genug seine spöttische Ader erlebt, seinen Zynismus der Contessa gegenüber. Und auch sie selbst hatte bereits die ein oder andere Spitze zu spüren bekommen. Aber sie war ja auch ein Mann und keine Frau, der er den Hof machte. Ja, das durfte sie nicht vergessen, auf keinen Fall! Sie hatte schließlich ein Ziel vor Augen, das es zu erreichen galt. Und das hieß Höchst. Nichts und niemand durfte sie daran hindern. Auch nicht Bianconi. Selbst wenn sie ihm noch so gern anvertraut hätte, dass sie eine Frau war. Eine verliebte Frau, wie sie sich eingestehen musste.
     
    F riederike erwachte, als die Pferde zum Stehen kamen. Verwirrt schlug sie die Augen auf, um sich einen Moment später ruckartig aufzusetzen: O Gott, sie war doch nicht etwa eingeschlafen?

    Nicht nur das, wurde ihr klar, als sie einen ziehenden Schmerz im Nacken verspürte und bemerkte, dass ihre Perücke verrutscht war: Nein, zu allem Überfluss musste sie während der Fahrt mit dem Kopf auf Bianconis Schulter gerutscht sein.
    »Na, Federico, gut geschlafen?«, grinste der Italiener prompt zu ihr herunter. Er stand neben ihr auf dem Kutschbock und machte sich am Hintergeschirr zu schaffen.
    »Ja, ich glaube schon«, erwiderte sie ein wenig verlegen.
    »Sie haben im Schlaf gelächelt und vor sich hingeredet. Machen Sie das öfter?«
    »Was habe ich?«, rief Friederike erschrocken. »Geredet? Um Himmels willen, was habe ich denn gesagt?«
    »Nichts Schlimmes«, beruhigte sie Bianconi. »Nur etwas von Höchst und …«
    »Und?« Ihr schwante Böses.
    »Ich glaube, das Wort ›verliebt‹ ist auch zweimal gefallen. Mir scheint, Sie werden in Höchst erwartet …«
    Statt ihm zu antworten, sprang Friederike vom Kutschbock. Sie musste etwas tun, um sich ihre immer größer werdende Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Als sie auf den Roten zutrat, der noch immer am hinteren Ende der Kutsche angebunden war und an den wenigen Grasbüscheln vor seinen Hufen zupfte, wurde sie von einem freudigen Schnauben begrüßt.
    Sie hatte nicht bemerkt, dass auch Bianconi um die Kutsche herumgekommen war. In der Hand hielt er ein seltsam anmutendes Werkzeug, mit dem er nun am linken Hinterrad zu schrauben begann. Sie wunderte sich, dass ein Mann seines Standes keine Angst davor hatte, sich die Hände schmutzig zu machen. Ernesto hatte sich ihm zugesellt, und ihrer auf Italienisch geführten Unterhaltung meinte Friederike zu entnehmen, dass es Probleme mit der hinteren Achse gab.
    »Was ist denn passiert?«, fragte sie beunruhigt.
    »Ach, alles bestens, keine Sorge. Ich hatte bloß das Gefühl, dass mit der Achse etwas nicht stimmt. Aber es hatte sich nur
ein Rad gelockert. Wahrscheinlich weil die Wege hier so holperig sind. Da vorne ist übrigens schon Altenburg - ich nehme an, danach werden die Straßen wieder befahrbarer. Spätestens hinter Jena, wenn wir auf die Hohe Straße kommen. Ich denke sowieso, dass es das Beste ist, Sie nehmen ab Weimar nur noch diese Route, lieber Friedrich. So kommen Sie ohne große Umwege und vor allem relativ sicher nach Frankfurt, auch wenn es natürlich keine Garantie gibt, dass nicht doch ein paar Strauchdiebe Ihren Weg kreuzen werden.« Mit einem Achselzucken fügte er hinzu: »Leider werden wir ja dann nicht mehr mit von der Partie sein.«
    »Wie lange werden Sie denn in Weimar Station machen, wissen Sie das schon?«, erwiderte Friederike etwas befangen. »Und danach geht’s direkt zurück nach Italien?«
    »Wenn ich das wüsste …« Bianconis Gesicht hatte sich verdüstert. »Sie wissen ja, die Contessa ist ein wenig sprunghaft, um nicht zu sagen: kapriziös. Heute so, morgen

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