Die Porzellanmalerin
Wert darauf gelegt … Aber nun verzeihen Sie einem unwissenden Fremden, der Ihre schöne Sprache zwar spricht, aber nicht bis in all ihre Feinheiten versteht: Sie sagten, ›Ihretwegen ändere ich meine Reisepläne ganz bestimmt nicht‹ - wen meinten Sie da: Emilia oder mich?«
Ihre Nasenspitzen berührten sich fast, als sich sein Griff noch ein wenig festigte. Friederike wusste nicht, was sie sagen sollte.
Schweigend starrten sie einander an - bis Bianconi sie so plötzlich losließ, dass sie fast ins Wanken kam. Wortlos drehte er sich auf dem Absatz um und ließ sie stehen.
A m frühen Abend hatten sie endlich die Pleiße erreicht. Friederike, die nach dem merkwürdigen Zerwürfnis mit Bianconi keine Lust mehr auf Konversation gehabt hatte, war allein auf ihrem Wallach vorausgeritten. Marie und Giovanni hatten abwechselnd auf dem Kutschbock und im Inneren des Wagens zugebracht. Einmal, als die Straße breiter wurde, hatte Friederike Tamerlano wie zufällig in eine langsamere Gangart wechseln und die Kutsche an sich vorbeifahren lassen. Durch den Spalt zwischen den beiden Hälften des dunkelroten Samtvorhangs hatte sie versucht, unauffällig durch das Fenster zu spähen. Alles, was sie gesehen hatte, war Giovannis Hinterkopf gewesen. Sein Zopf hatte sich gelöst, die dunklen Locken fielen ihm auf die Schultern. Er hatte seine Jacke ausgezogen, nicht aber sein Hemd, wie Friederike mit einer gewissen Erleichterung festgestellt hatte.
Erst auf der Brücke hatten sie wieder miteinander gesprochen, als der Italiener ausgestiegen war und die Zugpferde über die Holzplanken geführt hatte, unter denen das Wasser schäumte. Ernesto hatte den Tieren vom Kutschbock aus mit seinen seltsamen kehligen Lauten beruhigend zugeredet, während Friederike die Nachhut bildete, rechts und links von sich Giovannis Falben und ihren Roten, die sie fest unterhalb der Kandare gepackt hielt.
Auf der anderen Seite des Ufers angekommen, übergab sie dem Italiener, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen, wie selbstverständlich sein Pferd. Sofort schwang sich dieser in den Sattel und galoppierte mit einem fröhlichen »Kommen Sie, Federico, auf nach Altenburg!« auf die Residenzstadt zu.
Friederike folgte ihm langsam. Sie konnte sich nicht satt sehen, an dem wunderbaren Panorama, das sich vor ihr auftat: das
herrschaftliche Schloss auf dem hoch aufragenden Porphyrfelsen, die Wachtürme der Stadtmauer und nicht zuletzt das Wahrzeichen der Stadt, die beiden Backsteintürme des Augustinerklosters.
»Altenburg hat eine sehr wechselvolle Geschichte, wussten Sie das, Federico?«, fragte Bianconi, als sie auf das nördliche Stadttor zuritten.
»Nun, dass Friedrich Barbarossa hier immer wieder einkehrte, dass wusste ich wohl. Und die Geschichte mit dem Prinzenraub kenne ich aus einem Volkslied, das mein Vater mir als kleines …«
Friederike unterbrach sich hastig. Fast hätte sie sich verraten und »kleines Mädchen« gesagt. »… als kleines Kind immer vorgesungen hat«, brachte sie ihren Satz stockend zu Ende.
Glücklicherweise wurde Bianconi just in dem Moment von einem der Wachmänner abgelenkt, die sich entlang der Stadtmauer postiert hatten, und nach dem Grund und der Dauer ihres Aufenthalts in Altenburg gefragt. Erst als sie auf dem Neuen Markt standen, vor sich die reich verzierte Fassade des Rathauses, wo sie im Ratskeller ihr Abendessen einzunehmen gedachten, kam er wieder auf das Thema zurück.
»So, Ihr Vater hat Ihnen also als kleines Kind immer das Lied vom Prinzenraub vorgesungen? Ich kenne es gar nicht; würden Sie es mir auch vorsingen?«
Friederike nickte stumm. » W ir wollen ein liedel heben an, was sich hat angespinnen, wies in dem Pleißnerland gar schlecht war bestalt, als sein jungen fürsten geschach groß gewalt …«, erklang die Melodie in ihrem Kopf.
Wenn sie jetzt zu singen anfing, wäre definitiv alles zu spät. Sie hatte eine gute Stimme, aber unbestreitbar eine Frauenstimme, einen volltönenden Alt, mit dem sie allerhöchstens als Kastratensänger hätte durchgehen können.
»Aber nicht jetzt«, brachte sie hervor. »Die Contessa ist sicherlich hungrig und möchte den Ratskeller aufsuchen.«
Während sie an einem langen Holztisch zusammen mit einem Altenburger Ehepaar und ihren halbwüchsigen Kindern speisten, entspann sich zwischen Bianconi und dem Familienvater ein angeregtes Gespräch. Der Offizier hatte unter Generalfeldmarschall Friedrich Heinrich von Seckendorff im
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