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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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wieder zu ihnen stoßen. Es war davon auszugehen, dass sich ihre Weiterfahrt durch diesen Zwischenfall um mindestens einen Tag verzögern würde.
     
    D ie Sonne hatte ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht, als Friederike und Bianconi endlich von der Unfallstelle loskamen. Während der ersten zwei Stunden sprachen sie kaum miteinander - zu sehr hing jeder seinen eigenen Gedanken nach.
    Friederike war mittlerweile fest entschlossen, ihre Reise ab Köstritz allein fortzusetzen. Sie konnte es sich nicht erlauben, noch mehr Zeit zu verlieren, zumal nicht davon auszugehen war, dass das Wetter weiterhin so gut mitspielen würde. Normalerweise regnete es um diese Jahreszeit stark oder schneite sogar. Was das für sie und Tamerlano bedeuten würde, wagte sie sich gar nicht erst auszumalen. Und abgesehen von derlei praktischen Überlegungen war da noch die Sache mit der Contessa. Sie hatte keine Lust, sich von dieser hysterischen Nymphomanin weiterhin terrorisieren zu lassen. Es konnte nur schlimmer kommen mit ihr; die Hoffnung, dass sich ihr Verhältnis normalisieren würde, war vollkommen aussichtslos.
    Und Giovanni? Sie ließ ihren Blick zu dem Reiter an ihrer Seite wandern. Seine Miene war finster, die Augenbrauen zusammengezogen.
Er schaute starr geradeaus; entweder hatte er ihren Versuch, Kontakt aufzunehmen, nicht bemerkt oder ihn absichtlich ignoriert. Es war vielleicht auch besser so. Friederike seufzte. Sie würde diesen Mann so schnell wie möglich vergessen müssen und einfach nie mehr an ihn denken. Er hatte sie berührt wie kein Mensch je zuvor, an einer Stelle in ihrem Herzen - oder irgendwo sonst in ihrem Körper -, deren Existenz sie bis dahin nicht einmal geahnt hatte. Aber selbst wenn sie ihn unter anderen Umständen kennengelernt hätte, als junge heiratswillige Frau aus bürgerlichem Hause: Er war einfach nicht gut für sie! So oder so würde es das Klügste sein, schleunigst Reißaus vor ihm zu nehmen. Wieder kam ihr das Wort »gefährlich« in den Sinn. Die Contessa hatte ihr sicher nur die Hälfte dessen erzählt, was seine Persönlichkeit ausmachte. Er war garantiert mehr als ein einfacher Arzt oder Hauslehrer, wenn er so berühmte Freunde hatte und offensichtlich sogar den Papst persönlich kannte. Friederike wusste über Benedikt XIV nur, dass er ein entschiedener Gegner der Freimaurer war, aber ansonsten als liberaler, aufgeklärter Mann galt, der sich der Unterstützung der Künste und Wissenschaften verschrieben hatte. Ihr Vater schätzte ihn vor allem dafür, dass er zur Gründung einiger ausländischer Akademien beigetragen und zahlreiche Bibliotheken ausgebaut hatte. Auch den Theatern und Universitäten hatte er neue Möglichkeiten verschafft. Vielleicht hatte Giovanni ihm bei der Umsetzung seiner Reformen zur Seite gestanden und ihm als Berater gedient? Was für ein Journal das wohl war, von dem die Contessa geredet hatte? Und warum sprach Giovanni so gut Deutsch? Hatte ihm seine ehemalige Wiener Geliebte, Emilias Mutter, ihre Sprache beigebracht? Oder war er vielleicht sogar selbst ein Geheimagent, der im Dienste des Vatikans stand?
    Wieder suchte ihr Blick das Profil ihres Mitreisenden. Doch der war längst ein gutes Stück vorausgeritten. Friederike hatte gar nicht mitbekommen, dass Tamerlano sein Tempo gedrosselt
und in einen gemächlichen Schritt gefallen war. Offenbar war das arme Tier erschöpft - was ja auch kein Wunder war, nachdem sie fast zwei Stunden ohne Pause durchgaloppiert waren. Er brauchte dringend eine Pause. Sie nahm sich vor, die erstbeste geeignete Stelle für eine Rast zu nutzen, und trieb den armen Roten ein weiteres Mal zu einer schnelleren Gangart an.
    Als sie Bianconi endlich erreicht hatte, tat sich direkt vor ihnen, etwas abseits der Straße, eine kleine Lichtung mit einem schmalen Bach auf. In stillschweigender Übereinkunft lenkten sie die Pferde vom Weg ab und schwangen sich aus den Sätteln. Friederike führte Tamerlano sofort zum Wasser, damit er seinen Durst löschen konnte. Auch sie selbst kniete sich vor dem Bächlein nieder, um mit beiden Händen einen Kelch zu formen und ein paar Schlucke zu trinken und ihr erhitztes Gesicht zu benetzen.
    Als sie sich wieder aufrichtete, stieß sie mit dem Kopf gegen einen überhängenden Erlenzweig, der sich in ihrer Perücke verfing. Rasch trat sie zurück, in der Hoffnung, sich durch einen einfachen Ruck aus dem natürlichen Klammergriff befreien zu können. Doch vergebens: Der Zweig schnellte zurück und mit ihm

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