Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
Tag sollte sie es dann bis an ihren Zielort geschafft haben. Das Wetter war grau und unfreundlich, die Temperatur deutlich gesunken - sie war froh, dass die Reise nach über zwei Wochen nun allmählich dem Ende entgegenging.
    Aus Köstritz war sie einfach weggelaufen. Aber kaum hatte sie die ersten Meilen zwischen sich und die Stadt gebracht und sich von ihrem Schock halbwegs erholt, hatten die widersprüchlichsten Gefühle sie gepackt. Sie war traurig, weil sie Giovanni hatte verlassen müssen - und das auf eine solche Weise, nachdem die Nacht so wundervoll gewesen war. Sie hatten keine Verabredung treffen können, vielleicht würde sie ihn nie mehr in ihrem Leben wiedersehen. Er hatte es ihr zwar versprochen, aber was hieß das schon? Zugleich verspürte sie Erleichterung, dass sie noch einmal davongekommen war: nicht etwa vor der Contessa und ihren merkwürdigen Freunden, sondern vor ihm, vor Giovanni. So konnte sie ihren Weg fortsetzen und ungehindert ihren großen Plan weiterverfolgen. Sie war nicht sicher, ob sie sich zu einer Trennung hätte durchringen können, wenn sie noch ein paar Tage länger, ja noch ein paar Stunden länger mit dem Italiener verbracht hätte. Aber wie hätte sie ihn weiter begleiten können? Was hätte die Contessa dazu gesagt? Und hätte Giovanni das überhaupt gewollt?
    Sie gab ihrem Pferd die Sporen. Ein eisiger Wind blies ihr ins Gesicht. Raureif lag auf den Feldern und den Baumwipfeln. Tamerlano
prustete, als er in einen leichten Galopp fiel. Auch er schien es plötzlich eilig zu haben und endlich ans Ziel kommen zu wollen. Erneut schweiften ihre Gedanken zurück zu Giovanni, während die Bäume und Sträucher rechts und links am Wegesrand an ihr vorbeiflogen. Kurz hinter Köstritz hatte sie sich zum ersten Mal gefragt, warum seine Stimme so panisch geklungen hatte, als er ihr zu fliehen befahl. Natürlich war die Contessa unberechenbar, das hatte sie in den allerersten Minuten ihrer Bekanntschaft schon festgestellt. Aber Giovanni war schließlich ihr Vormund und konnte damit über sie bestimmen - was hätte also schon passieren sollen? Mit Emilias Trinkkumpanen wären sie ja wohl noch fertig geworden.
    Wieder und wieder hatte sie die letzten Minuten in dem engen Zimmer im »Güldenen Kranich« Revue passieren lassen, bis sie irgendwann zu der Überzeugung gelangt war, dass wohl auch Giovanni nur den Wunsch verspürt haben konnte, sie so schnell wie möglich loszuwerden. Wahrscheinlich hatte er - so wie sie - instinktiv gewusst, dass eine Trennung, je länger sie beieinander blieben, umso schwieriger für sie beide würde. Konnte das sein? Es war dieser Gedanke gewesen, der sie davon abgehalten hatte, ihr Pferd zu wenden und kurz entschlossen nach Köstritz zurückzureiten.
    Die Weiterreise war ruhig verlaufen, auch wenn das Wetter die meiste Zeit über eher unangenehm gewesen war. Einmal hatte es mehrere Tage am Stück so stark geregnet, dass sie beschlossen hatte, sich eine Unterbrechung zu gönnen. Sie hatte bei einer alten Bäuerin gewohnt, die allein auf ihrem kleinen Hof lebte. Es hatte tagelang nur Kohleintopf und Brotsuppe gegeben. Sie war meistens hungrig gewesen. Die Bäuerin hatte gefunden, dass ein kräftiger junger Mann ruhig ein wenig Holz hacken könne. Friederike, die sich auf diese Weise das Geld für Kost und Logis sparte, hatte das Holz in einem Schuppen gehackt und in der Küche vor dem Feuer aufgestapelt, damit es trocknen konnte. Von der ungewohnten Arbeit hatten ihr schon nach kurzer
Zeit höllisch die Arme geschmerzt, und sie hatte oft eine Pause einlegen müssen. Abends zur Dämmerung war sie gemeinsam mit der Alten in den Wald gegangen, um Holz zu stehlen, das sie dann am nächsten Tag zerkleinern sollte. Die Bäuerin hatte Angst gehabt, ein Förster des Grafen, dem der Wald gehörte, könnte sie erwischen, aber zur Erleichterung auch Friederikes, die noch immer befürchtete, dass ihre falsche Identität entlarvt würde, war alles gut gegangen. Geschlafen hatte sie im Stall im Stroh, zusammen mit zwei mageren Kühen und Tamerlano, der die verdiente Erholung nach der langen Reise sichtlich genoss. Sie hatte endlich auch ihre Kleider waschen können und sie zum Trocknen vors Feuer gehängt. Der Geruch nach Rauch war freilich nicht mehr weggegangen.
    Als sie sich nach einer guten Woche am ersten halbwegs sonnigen Morgen wieder auf den Weg machen wollte, hatte der Rotfuchs ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte,

Weitere Kostenlose Bücher