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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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ihm den Sattel aufzulegen, hatte er sich so lange geschüttelt und mit den Hinterbeinen ausgeschlagen, bis der schwere Ledersattel ihm wieder vom Rücken geglitten war. Auch das Zaumzeug hatte er sich nicht anlegen lassen. Tamerlano hatte einfach nicht mehr hinaus in die Kälte und den zu erwartenden Regen gewollt. Fast einen halben Tag hatte sie verloren, bis sie ihn endlich dazu gebracht hatte, sie nicht kurz vor Schluss noch im Stich zu lassen. Das stundenlange Zureden hatte sie fast mehr Kraft gekostet als der anstrengende Ritt einige Tage zuvor, aber irgendwie konnte sie dem armen Gaul auch nicht verdenken, dass er den warmen, gemütlichen Stall der feuchten Kälte draußen vorzog. Die Wege waren von dem ewigen Regen ganz aufgeweicht, und noch schlimmer sah es in den Wäldern und auf den Äckern aus. Zum Glück fror es mittlerweile nachts, sodass der Boden zumindest nach Einbruch der Dunkelheit etwas weniger schlammig war. Allerdings war es dafür auch schon so frisch, dass sie kaum wusste, wie sie ihre klammen Finger und Füße vor dem Erfrieren bewahren sollte.

    In Eisenach war sie schließlich auf die alte Handelsstraße gestoßen, die schon die Römer benutzt hatten - ganz wie Giovanni es ihr empfohlen hatte. In einer Schenke hatte sie die Bekanntschaft eines Schauspielertrupps gemacht, der mit mehreren Kutschen und Fuhrwagen von Gotha nach Fulda zum nächsten Engagement unterwegs war. Die Theaterleute hatten sie schon nach wenigen Minuten nachdrücklich aufgefordert, sich ihrem Tross anzuschließen, was Friederike spontan und dankbar angenommen hatte. Ihr Vater hatte ihr schon, als sie noch ein kleines Mädchen war, immer wieder begeistert von der Neuberin erzählt, die in Leipzig eine Bühne gegründet und später auch mehrfach in Dresden gastiert hatte, sodass sie allem, was mit Theater zu tun hatte, grundsätzlich erst einmal Sympathie entgegenbrachte. Sie war froh, in den Wanderkomödianten eine lustige und vor allem unauffällige Begleitung gefunden zu haben - einmal mehr, weil sie dem bevorstehenden Grenzübertritt von Thüringen nach Hessen-Kassel doch mit einigem Bangen entgegenblickte. Aber die Zöllner hatten nur einen gelangweilten Blick auf ihr Reisedokument geworfen und die übliche Gebühr verlangt. Dafür wurden die Schauspieler und ihr Gepäck umso gründlicher durchsucht, weil ihre Papiere offenbar überhaupt nicht den Erfordernissen entsprachen. Sie hatten ihre ganzen Habseligkeiten inklusive aller Kostüme und Kulissen abladen und auspacken müssen. Und das bei einem nicht enden wollenden Nieselregen.
    Als sie ihren Reisegefährten abends beim Kaminfeuer in einem heruntergekommenen kleinen Gasthof in den westlichen Ausläufern der Rhön beiläufig erzählte, dass sie Porzellanmaler und nach Höchst unterwegs sei, war der Direktor der Wanderbühne, ein untersetzter Mittfünfziger mit einem gewaltigen schwarz gefärbten Schnurrbart, in einen wahren Begeisterungssturm ausgebrochen.
    »Aber das ist ja wunderbar, Verehrtester, wenn Sie Maler sind, dann können Sie uns doch ein paar Bühnenbilder malen!«,
hatte Ernesto Montezuma lauthals gerufen und ihr schwer auf die Schulter geklopft. »Wissen Sie, unser Theatermeister ist uns abhanden gekommen - ja, er ist einfach in Gotha geblieben, hat eine hübsche junge Frau kennengelernt und uns, die wir doch eigentlich seine Familie sind, einfach fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, der Schuft! Und jetzt haben wir keinen mehr, der uns die Staffage malt. Wissen Sie, wir spielen eine Komödie, ein ganz neues Stück aus Italien - Sie kennen doch Italien, nicht wahr, mein Lieber: amore, amore …« - sein Augenzwinkern und die ausladende Geste, mit der er einen überdimensionierten weiblichen Oberkörper in die Luft malte, irritierten Friederike einen Augenblick - »in einer Übersetzung von mir selbst übrigens, Goldoni heißt der Schreiber dieses Stückes, ein brillanter Kopf, aber da brauchen wir doch ein Bühnenbild, nicht wahr, Herr Friedrich - ich darf Sie doch so nennen, wo Sie ja unsere Rettung sind - fantastico , ich bin begeistert. Ein Geschenk des Himmels dieser junge Mann, stimmt’s, meine Freunde?«
    Um Zustimmung heischend blickte er in die Runde. Die anderen Komödianten, ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Männern, Frauen und Kindern lachten, klatschten in die Hände oder redeten in verschiedenen Sprachen alle durcheinander auf Friederike ein. Darüber, dass Ernesto Montezuma kein echter Italiener war, hatten sie auch seine

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