Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
auf ihren Nacken und zog sie an sich. Ihre Münder verschmolzen, ihre Arme und Beine umschlangen einander, ihre Körper wurden eins.

    M itten in der Nacht, es mochte zwischen vier und fünf Uhr sein, wurde Friederike von einem lauten Poltern geweckt. Sie schreckte hoch, musste sich einen Moment lang besinnen, merkte, dass sie nackt war, sah den ebenfalls nackten schlafenden Mann an ihrer Seite, dessen linker Arm über ihrem Bauch lag - und wurde von einem hellen Fackelschein geblendet.
    »Ma che puttana!« , hörte sie die rauchige Stimme der Contessa rufen. Ihrem Lallen nach zu urteilen, schien sie stark angetrunken zu sein.
    Ein dreckiges Männerlachen ertönte, in das eine dritte Stimme einfiel:
    »Na, wen haben wir denn da? Noch so ein kleines Früchtchen! Hübsch, hübsch - ja, ich möchte meinen, ganz allerliebst!«
    Mit ausgestreckten Armen trat der Mann auf sie zu. Er schwankte leicht, sein Atem roch nach Bier. Friederike schrie auf.
    In dem Moment öffnete Giovanni die Augen und sprang nackt, wie er war, aus dem Bett - gerade noch rechtzeitig, um dem Mann einen Stoß gegen die Brust zu versetzen, sodass dieser zu Boden stürzte, und die Contessa abzufangen, die sich mit der Fackel in der Hand auf unsicheren Beinen Friederike näherte.
    »Mir hast du vorgespielt, du wärst ein Mann, impudente , und mich gedemütigt, wie noch nie jemand in meinem ganzen Leben!«, schrie sie. »Und jetzt besitzt du auch noch die Frechheit, mir meinen Verlobten wegzunehmen! Sfacciata! Una bestia sei! «
    »Friederike, pack deine Kleider und lauf weg! Zieh dich im Stall an! Reite davon, so schnell du kannst! Bitte, es muss sein, es ist das Beste für uns alle …«
    Giovannis Stimme brach ab. Als Friederike sich nicht von der Stelle rührte, fügte er fast flehend hinzu:
    »Glaub mir, ich weiß, was ich sage! Bitte, Federica, geh! Bitte!«
    Er hatte einen Arm um die Taille der Contessa geschlungen und versuchte mit der anderen Hand, ihr die Fackel zu entreißen, mit der sie dramatisch herumfuchtelte.

    Während Emilias einer Begleiter bei Friederikes Schrei direkt die Flucht ergriffen hatte, noch bevor sie ihn in dem dämmerigen Raum richtig hatte sehen können, kam der andere auf dem Boden zum Sitzen und rieb sich das schmerzende Schienbein, mit dem er bei seinem Sturz gegen die Bettkante gestoßen war. Er war auffallend elegant gekleidet, schon etwas älter und hatte ein gut geschnittenes Gesicht, das weder der zweifellos in Übermaßen genossene Alkohol noch der Schmerz entstellten. Aus zusammengekniffenen Augen stierte er sie an.
    Mit zwei großen Schritten sprang Friederike über ihn hinweg, riss ihre Kleider von der Stuhllehne und hastete nach einem letzten Blick auf Giovanni, in dessen Gesicht sie abgrundtiefe Verzweiflung las, in den Treppenflur. Schnell schlüpfte sie in die Ärmel ihres Redingotes, und während sie die Stufen hinab zum Stall eilte, konnte sie noch hören, wie er ihr nachrief:
    »Federica, denk an meine Worte von gestern Abend! Ich werde dich finden! Wir sehen uns wieder - das verspreche ich dir!«
    Tamerlano wieherte, als er sie kommen sah, und stupste ihr sanft mit der Nase gegen die Schulter. Tränen rannen ihr übers Gesicht, während sie in ihre Kleider fuhr. In der Eile hatte sie sowohl ihre Perücke als auch das Brustband oben im Zimmer vergessen. Egal, sie würde schon etwas anderes finden, um sich den Busen abzuschnüren. Es gab Wichtigeres zu tun. Vor allem musste sie hier weg, bevor die Contessa oder einer ihrer beiden Verehrer sie aufhalten konnten.
    Oder der Verlobte der Contessa! Friederike lachte höhnisch auf, als sie den schweren Sattel auf Tamerlanos Rücken warf. Mit einer heftigen Bewegung zog sie den Gurt unter seinem Bauch fest und schob ihm die Trense ins Maul. Hastig zerrte sie den Wallach aus dem Stall.
    Draußen lag Schnee. Der Mond stand hoch über der ausgestorbenen Stadt, die von einem dünnen weißen Tuch bedeckt schien. In der kalten Luft gefroren ihr die Tränen auf den
Wangen. Sie trat in den Steigbügel und zog sich hoch aufs Pferd.
    Die Kirchturmuhr zeigte wenige Minuten vor fünf, als sie auf die Stadtmauer zuritt. Sie hatte Glück, die Wachposten waren gerade dabei, das Tor zu öffnen. Der Wind pfiff ihr um die Ohren, während sie, ohne sich noch einmal umzuschauen, Köstritz verließ, und verwehte ihre Spuren.

3. KAPITEL
    E s war nicht mehr weit bis nach Höchst. Sie würde in einigen Stunden in Hanau ankommen, wo sie noch einmal übernachten wollte. Am nächsten

Weitere Kostenlose Bücher