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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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aus der Bank und tänzelte, mit dem Hintern wackelnd, in der Stube herum.
    » Oui , Monsieur, eine Chaise für den feinen Herrn!«, rief er geziert.
    Ein bisschen wie Georg, grinste Friederike. Sie hatte lange nicht mehr an ihn gedacht, fiel ihr auf.
    Die Wirtin wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. Mit einem Satz war Michael neben ihr, klatschte ihr fest auf den Hintern und säuselte:
    »Kommen Mademoiselle mit in meine Chaise?«
    »Das reicht, Michael! Wir brechen jetzt auf«, meinte Wilhelm bestimmt und zog Johann mit hoch.
    »Friedrich, du musst für uns zahlen! Wir haben noch kein Geld umgetauscht. Mit unseren Frankfurter Talern kommen wir hier nicht weiter«, dröhnte Michael.
    »Heute Abend sind wir wieder hier, dann laden wir dich auf ein Glas ein«, fügte Wilhelm entschuldigend hinzu.
    Zähneknirschend zählte Friederike der Wirtin die verlangten Münzen in die Hand. Es waren nicht mehr allzu viele da. Aber wenn sie Glück hatte, verdiente sie ja bald neues Geld. Sie musste sehen, dass sie diesen flämischen Fayencefabrikanten so schnell wie möglich zu fassen bekam. Hoffentlich würde er ihr Arbeit geben, damit sie bald wieder bei Kasse war. Denn dass sie so schnell aus Hanau weg kam, daran glaubte sie allmählich selbst nicht mehr. Aber einen letzten Versuch wollte sie noch unternehmen und zur Poststation in die Neustadt laufen, um sich nach der nächsten Kutsche in Richtung Frankfurt zu erkundigen.
     
    D raußen wehten ihr dichte Schneeflocken ins Gesicht. Sie hatte von ihrem Sturz von Tamerlano an beiden Knien Löcher in der
Hose, durch die eine beißende Kälte drang. Mühsam bahnte sie sich ihren Weg durch die Schneemassen Richtung Stadtmauer.
    Am Pranger vor dem Rathaus war ein älterer Mann angekettet. Er zitterte am ganzen Körper, und seine Haut, die an mehreren Stellen unter der zerrissenen Kleidung hervorblitzte, war blau gefroren. Ein paar Markthändler bauten, laut auf das Wetter fluchend, ihre Stände ab. Eine der Frauen zeigte Friederike den Weg in die Neustadt.
    Kaum hatte sie das Tor durchschritten, hatte sie den Eindruck, sich an einem anderen Ort zu befinden. Gleich neben der Mauer standen zwei Träger mit einer Chaise, die auf Kundschaft warteten. Aus dem kleinen Heizofen zu ihren Füßen stieg bullige Hitze auf.
    »Bringen Sie mich bitte zur Poststation«, sagte Friederike an den jüngeren der beiden Männer gewandt.
    »Heute werden Sie nirgendwo mehr hinkommen«, brummte der andere. »Wir sind vollkommen eingeschneit. Die Post aus Frankfurt ist gar nicht erst gekommen, die aus Fulda mit stundenlanger Verspätung. Das wird heute nichts mehr.«
    Er schüttelte missmutig den Kopf.
    Der Jüngere, der offenbar befürchtete, ihm könnte ein Geschäft durch die Lappen gehen, fügte eilfertig hinzu:
    »Wir bringen Sie natürlich trotzdem hin, Monsieur.«
    »Ich will mich nur erkundigen, wann - und ob - morgen die nächste Post geht.«
    Dankbar nahm Friederike den kleinen Ofen entgegen, den ihr einer der beiden Träger in die Sänfte hineinreichte, und ließ sich gegen die samtbezogene Rückenlehne fallen. Sie fühlte, wie die Chaise sachte angehoben wurde, und schon ging es los. Durch das kleine Seitenfenster hatte sie einen guten Ausblick auf ihre Umgebung. Dieser Teil Hanaus war weitaus prächtiger als die Altstadt. Die Häuser waren neu und geräumig. Auf einem steinernen Erdgeschoss thronten zwei Stockwerke aus Fachwerk, darüber ein hohes Dach mit reich verzierten Giebeln.
Die Häuser hatten keine Türen, sondern Eingangsportale. Alle Straßen waren breit und gerade. Sie verliefen rechtwinklig zueinander, wie auf einem Reißbrett angelegt. Eine solche Stadt mit einem derart zur Schau gestellten Wohlstand hatte sie noch nie gesehen.
    Als sie die Poststation betrat und aus den benachbarten Ställen ein Pferd wiehern hörte, fiel ihr siedendheiß ein, dass sie sich den ganzen Tag noch nicht um Tamerlano gekümmert hatte. Wie konnte ihr so etwas passieren? Vor allem, nachdem er sie so treu und brav fast bis an ihren Zielort gebracht hatte! Wenigstens würde es das arme Pferd bei ihrer nächsten Reiseetappe etwas leichter haben, wenn es nur neben der Kutsche entlangtraben musste, statt ihr schweres Gewicht auf seinem Rücken bis nach Höchst zu tragen.
    Im Hof der Poststation stand eine Gruppe Reisender frierend und aufgeregt schimpfend im Schneematsch herum. Das Gepäck stapelte sich auf dem durchweichten Boden. Ein älterer Mann, der nur der Postmeister sein konnte, schüttelte

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